Hohe verluste
Es wird nun jeder Stein zweimal umgedreht
Angesichts der bereits seit 2016 bestehenden schwierigen wirtschaftlichen Situation und einem Verlust von 304 Mio. EUR will der Stahlkonzern ThyssenKrupp möglicherweise mehr als 6000 Arbeitsplätze abbauen . Wir werden nun je-den Stein zweimal umdrehen, so die neue Vorstandsvor-sitzende Martina Merz. Als Begründung für diese drasti-schen Maßnahmen werden zu geringe Auslastungen der Bandstrassen, Überkapazitäten, hohe Rohstoffpreise und eine maue Konjunkturlage genannt. Großaufträge würden fehlen und der Anlagenbau würde Verluste schreiben. Das Aufzugsgeschäft würde ebenfalls zur Disposition stehen. Hinzu kommen hohe Restrukturierungskosten sowie Rück-stellungen für ein Kartellverfahren. Wie üblich sollen diese z.T. hausgemachten Probleme wieder einmal die Be-schäftigten ausbaden. Als erste Betroffenengruppe hat sich der Vorstand die Verwaltungsmitarbeiter in der Essener Zentrale vorgenommen. Diese sollen von 800 auf 430 in den kommenden 12 Monaten abgebaut werden. Im Anlagenbau sollen 640 Stellen gestrichen werden. Mit einer Groß-demonstration protestierten die Mitarbeiter aller Konzern-bereiche am 6.12.2019 gegen die Kahlschlagpolitik des Vor-standes.
- 304 Mio. EUR Verlust
- 500 Mio. EUR jährliche Pensionsverpflichtungen
- 8,5 Mrd. EUR ungedeckte Pensionslasten
- 5 Mrd. EUR Schulden
- 350 Mio. EUR Kartellstrafe
auf der hohen Kante :
- 6 Mrd. EUR
IG Metall
Es ist 5 vor 12
die Stahlwerker blicken einer ungewissen Zukunft entgegen
Bereits in 2016 beteiligten sich rd. 7000 Beschäftigte im Rahmen eines Aktionstages in Duisburg für die Er-haltung des Stahlstandortes und gegen eine Fusion zwischen ThyssenKrupp Steel und dem weltgrößten indischen Stahlkonzern Tata Steel. TK Steel wollte durch die Fusion rd. 200 Mio. EUR pro Jahr an Per-sonalkosten einsparen.
Nach dem der alte TK-Vorstand Guido Kerkhoff bereits im August 2019 angekündigt hatte, das Grob-blechwerk im Duisburger Süden auf den Prüfstand stellen zu wollen, sind die Betriebsräte und die Beleg-schaften erneut in heller Aufregung. Gewerkschafts-sekretär Dieter Lieske ist über diese Ankündigung empört, da die IG Metall jahrelang vergeblich Investi-tionen in neue Techniken angemahnt hatte. Der Vor-stand hätte alle Mahnungen in den Wind geschlagen, so Lieske. Wenn es hart auf hart kommen sollte, wären im Grobblech-Walzwerk 1.200 Mitarbeiter be-troffen. Im Stahlwerk Duisburg-Bruckhausen be-schäftigt ThyssenKrupp weitere rd. 14.000 Mitarbeit-er. Rechnet man die zahlreichen Partner und Fremd-firmen hinzu, beschäftigt die Stahlsparte noch rd. 28.000 Mitarbeiter. Weltweit beschäftigt Thyssen Krupp 160.000 Mitarbeiter.
Sollte nach dem politisch gewollten Kohleausstieg nun auch die Stahlbranche der Klimawahnpolitik ge-opfert werden, dann wäre das Ruhrgebiet industrie-politisch am Ende. Schon der Verlust der Arbeits-plätze im Steinkohlenbergbau von rd. 600.000 Stell-en seit 1960 konnte weder annähernd noch adäquat ersetzt werden. Ebenfalls nicht der Wegfall von rd. 12.000 Arbeitsplätzen im ehem. Krupp-Stahlwerk in Duisburg-Meiderich 1993 , 20.000 Arbeitsplätzen bei Opel 2014 in Bochum-Laer und 4.500 in 2008 bei Nocia in Bochum. Das Ruhrrevier strukturwandelt sich seit mehr als 60 Jahren zu Tode.
Die Menschen brauchen nicht immer mehr Rad-und Wanderwege, sondern neue Arbeitsplätze. Und da diese auf Dauer unter Berücksichtigung des digitalen Wandels in der Arbeitswelt im Revier kaum entstehen dürften, ist es notwendig, um den Erhalt jedes einzel-nen Arbeitsplatzes verbissen zu kämpfen. Die Politik muß sich diesem Problem stellen, wenn sie verhind-ern will, das eine ganze Region untergeht. Mit der Energiewendepolitik dürfte dies jedoch kaum ge-lingen. Einen zweiten Landschaftpark mit dem still-gelegten ehem. TK-Hüttenwerk in Duisburg-Meiderich braucht Niemand.
Ruhrbischof Dr. Overbeck verwies nach der Bilanzvorlage im Dez. auf Alfred Krupp, der bereits 1873 gesagt habe, das der Zweck der Arbeit das Gemeinwohl sein soll. In Zeiten des Umbruchs erweise sich nun-mehr, wie ernst es dem Unternehmen mit seinen Prinzipien ist. Konkret forderte er eine sozialverträgliche Lösung für die Be-schäftigten und eine Reinvestition bei Ver-kauf von Konzernteilen, um das Unter-nehmen zu konsolidieren und wieder zu einem starken Arbeitgeber in der Region zu machen.
Die finnische Aufzugsfirma Kone hat zwischenzeitlich ihr Interesse an einer Übernahme der lukrativen Aufzugssparte bekundet. Diese beschäftigt derzeit noch rd. 50.000 Mitarbeiter. Darüber soll im nächsten Jahr entschieden werden. Das Verkaufsvolumen wird auf 15 Mrd. EUR ge-schätzt. Ebenso darüber, ob das Warm-breitbandwerk in Bochum erhalten werden kann. Das will die IG Metall jedoch nicht hinnehmen. Sie fordert eine Erhaltung des Standortes, da sich dort auch die Elektro-band-Fertigung befinden würde. Der Vor-stand soll endlich die angekündigten In-vestitionen für den Bochumer Standort freigeben, so Eva Kerkemeier von der IG Metall. Der Vorstand zeigte sich jedoch unbeeindruckt und will das Elektrostahl-werk an der Castroper Str. in Bochum 2025 komplett stillegen. 550 Mitarbeiter werden dann ihren Job verlieren.
Der Bochumer Oberbürgermeister Thomas Eiskirch macht für die derzeit schwierige Situation von ThyssenKrupp die ehem. Vor-standsmitglieder Cromme und Schulz per-sönlich verantwortlich. Sie hätten es 10 Jahre lang trotz zahlreicher Mahnungen ver säumt, in den Bochumer Standort ausreich-end zu investieren. Stattdessen haben die Herren 8 Mrd. EUR in Brasilien und Amerika versenkt. Daher dürfe die Krise nunmehr nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden, so der Vorwurf des OB.
Quellenhinweise:
Börsen-Zeitung vom 07.12.2019; IG Metall-Meo.de/aktuell vom 31.08. 2016; WAZ vom 21.11.2019; 25. 11. 2019 und 07.12.2019; Welt am Sonntag vom 08.12.2019; RP-On-line.de vom 03.12.2019; IG Metall-Duisburg.de vom 28.11.2019; Rund-schau-Online.de vom 21.11.2019; Goslarsche-Zeitung vom 21.11. 2019; Pipeline.de vom 21.11.2019; Finanztreff.de vom 21.11.2019; Bi-stum Essen, Pressemitteilung vom 22.11.2019; Manager-Magazin vom 21.11.2019; RP-Online.de vom 13.08.2019 und RK-Redaktion vom 12.12.2019.
Headerfotos oben:
Thyssen-Krupp-Zentrale in Essen: Hans-Peter Schröer, pixabay.com. Künstl. Veränderung: Revierkohle. TK-Firmenlogo-Entwurf: Revier-kohle
Darunter: Stahlwerk Duisburg: Andreas Poznanski, pixabay.com. Besorgter Stahlarbeiter: fotolia-Kauf
Um den Bochumer Stand-ort der ThyssenKrupp Steel Europe technologisch wie-der flott zu machen, wer-den rd. 1,5 Mrd. EUR be-nötigt, um am Markt mit-halten zu können. Zu allem Übel kommt noch hinzu, das der Tarifvertrag „Zu-kunft Stahl“, der eine be-triebsbedinge Kündigung ausschließen sollte, zum Ende des Jahres ausläuft. Und dann sind da ja auch noch die Chinesen, die billigen Stahl auf den Markt drücken. Das vom Vorstand vorgelegte Strategiepapier sieht Investitionen von jähr-lich rd. 570 Mio. EUR vor. Damit will man auch gegen über den Mitbewerbern Ar-celorMittal und Salzgitter Parolie bieten. Die Stahl-produktion in Duisburg soll auf 11,5 Mio. T hochgefahr en werden. An anderen Standorten wird es dafür aber erhebliche Einschnitte geben.