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RAG: Bergleute siegen in zweiter Instanz

RAG-Kündigung. Zweite Instanz.

Kündigungen waren unwirksam

RAG-Kündigung. Zweite Instanz.

Niemand fällt ins Bergfreie! Das war die Losung der RAG seit 1968. Von den einst rd. 500.000 Bergleuten ist in der Tat Niemand ins Bergfreie gefallen. Sie sind entweder auf andere Schachtanlagen ver-legt, umgeschult worden oder in die An-passung gegangen.

Das blieb bis zum Auslauf des Deutschen Steinkohlenbergbaus Ende 2018 so. Bis auf rd. 160 Bergleute. Diese wollten nicht in das Mitarbeiter-Entwicklungscenter (M.E.C.), einer internen Transfergesell-schaft, wechseln und auch keine Be-schäftigungsalternativen außerhalb des Bergbaus annehmen. Daher sprach die RAG diesen Bergleuten Ende 2019 die betriebsbedingte Kündigung aus.

Gegen die betriebsbedingte Kündigung klagten die Bergleute vor dem Arbeits-gericht in Gelsenkirchen. Bis März 2020 wurde der Klage von 13 Bergleuten  statt-gegeben. Die RAG ging daraufhin beim  Landesarbeitsgericht (LAG) in Hamm in Berufung.

In zweiter Instanz entschied das LAG Hamm im  Dez. 2020 zugunsten der  Kläg-er und bestätigte damit die Unwirksam-keit der Kündigungen. Eine Revision zum Bundesarbeitsgericht ließ das LAG nicht zu. 

LAG-urteil

mangelhafte Sozialauswahl falscher Betriebsrat

In seiner Urteilsbegründung vom 15.12.2020 (zu AZ  9 Sa 761/20) verwies die Kammer darauf, das die RAG keine ordnungsgemäße Sozialauswahl entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen durchgeführt habe, anhand derer man hätte überprüfen können, wer weiterbeschäftigt hätte werden können und wer schutzwürdige Interessen gehabt hätte. Außerdem wurde nur der lokale Betriebsrat angehört. Da die Stilllegung des Bergwerks Prosper-Haniel in Bottrop jedoch nur ein Baustein im Rahmen des Gesamtauslaufs des Deutschen Steinkohlenbergbaus war, hätte der Gesamtbetriebsrat den Interessenausgleich abschließen müssen. Da dies nicht geschehen ist und somit auch nicht der zuständige Gesamtbetriebsrat die Massenentlassungsanzeige vorgelegt hat, führt dies zur Unwirksamkeit der Kündigungen. Die Arbeitsverhältnisse der gekündigten Bergleute bestehen daher fort. Die RAG muß für den Zeitraum seit dem 01.01.2020 die Löhne nachzahlen.  

wie die RAG das sieht

Die RAG hält die betriebsbedingten Kündigungen für rechtmäßig, da sie den Bergleuten die Möglichkeit eingeräumt hatte, sich bei vollen Bezügen über das Entwicklungscenter für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Außerdem hätte man den Betroffenen mehrere Arbeitsplatzangebote außerhalb des Bergbaus unterbreitet. Eine Weiterbeschäftigung z.B. bei der Schachtverfüllung u.a. Arbeiten wäre nicht möglich gewesen, da es sich um Bergbau-Spezial-arbeiten handelt, die seit Jahren von entsprechenden Fremdfirmen erledigt wurden. Und die Arbeitsplätze in der Grubenwasserhaltung wären bereits alle besetzt. Mithin wäre somit eine Weiterbeschäfti-gung nicht mehr möglich. 

todtraurige Tristesse: der verfüllte Schacht 10 des ehem. Bergwerks Prosper-Haniel in Bottrop-Kirchhellen im Januar 2021, Foto: Revierkohle
geschlossene Schranken auf Prosper-Haniel
die ehemalige Kohleverladungstelle hinter Schacht 2 des ehem. BW Prosper-Haniel an der Knappenstr. in Bottrop während des Abbruchs im Jan. 2021, Foto: Revierkohle

wie die Kumpels und Ihr Anwalt das sehen

Der ehemalige Hauer Ahmet Cöl (47), der zuletzt auf dem BW Prosper-Haniel in Bottrop angelegt war, begründet seine Klage mit dem Verweis, daß seiner Ansicht nach sehr wohl noch genügend Aufräumarbeiten auf dem Bergwerk erledigt werden müssen. Aus diesem Grund würde die RAG anstatt ihn und seine klagenden Kumpels Leiharbeiter von Fremdfirmen beschäftigen. Außerdem habe man ihm keineswegs ein gleichwertiges Angebot unterbreitet. Die Annahme hätte eine deutliche Verschlechterung für ihn bedeutet.

Die von den Bergleuten mit der Interessenwahrnehmung beauftragte Kanzlei Kuhlmann aus Dortmund geht davon aus, dass das LAG auch in den weiteren noch 145 anhängigen Verfahren die Kündigungen für unwirksam erklären wird.

Im Hinblick auf die Angebote der betriebsinternen Transfergesell-schaft M.E.C. erklärte die Kanzlei, dass jüngere Bergleute auch gegen ihren Willen in andere Arbeitsverhälntisse vermittelt wurden. Bei Weigerung hatte man mit einer fristlosen Kündigung gedroht. Die Mitarbeiter sollten so an der Schließung ihrer Zeche mitwirken. 

Das Bundesarbeitsgericht hatte diese Praxis für unwirksam erklärt, da die Versetzung der Bergleute in das Mitarbeiter-Entwicklungs-Center ein unzulässiger Eingriff in den Kernbereich des Arbeits-verhältnisses gewesen ist. Auch sei die Mithilfe bei der Suche nach neuen Beschäftigungsperspektiven durch die RAG völlig unzureich-end gewesen. Statt dessen wären die meisten von 1.700 nicht an-passungsberechtigten Bergleuten mit einer mittelmäßig hohen Ab-findung aus dem Bergbau ausgeschieden. Bei einem Unter-nehmen, so Anwalt Daniel Kuhlmann, dass Subventionen in Milliarden Höhe seit vielen Jahrzehnten über den Steuerzahler erhalten hat, hätte man ein rechtmäßiges Konzept erwarten dürfen.

Statt dessen diente die Versetzung in das M.E.C. nur einem Ziel, nämlich die schnellstmögliche Zwangsvermittlung in irgendeinen Job.

Das BAG hat daher zu Recht den zugrundeliegenden Tarifvertrag, den die IG Bergbau, Chemie und Energie mit der RAG in 2017 abge-schlossen hatte, für unwirksam erklärt.

wie es weitergehen könnte

Nach Aussage eines Gerichtssprechers des LAG Hamm hat die RAG durchblicken lassen, dass sie bereit wäre, sich mit den Klägern zu vergleichen. Allerdings dürfte der Vergleich wohl kaum so ausfallen, wie sich das die klagenden Bergleute wünschen.

Die wollen zwar auch eine Lösung, nämlich bei den noch anstehenden Rückbauarbeiten weiter eingesetzt zu werden. Das aber dürfte wohl eher nicht eintreten. Denn die meisten der klagenden Bergleute würden bei einer Weiterbeschäftigung möglicherweise APG-Berechtigte werden.

Nach den Richtlinien zur Gewährung von Anpassungsgeld (APG) an Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus vom 12.12.2008 erhalten diese Anpassungsgeld vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrollen, wenn sie mindestens 50 Jahre alt (Unter-tagebschäftigte) bzw. 57 Jahre alt sind (Übertagebeschäftigte), die zur Entlassung führende Maßnahme aufgrund einer vom BM für Wirtschaft und Technologie be-stätigten Stilllegung erfolgte und wenn die ArbN in den nächsten 5 Jahren Anspruch auf eine Rente gem. SGB VI hätten. Der Antrag könnte somit noch problemlos bis zum 31.12. 2022 gestellt werden.

Einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung hatte das Arbeitsgericht Gelsenkirchen aller-dings schon Anfang Januar 2020 mit dem Hinweis abgelehnt, dass es der RAG nicht zuzumuten sei, die Bergleute auch nach der Beendigung des deutschen Steinkohlen-bergbaus weiter zu beschäftigen.

RAG will hart bleiben

RAG-Chef Peter Schrimpf äußerte seine Betroffenheit wegen der klagenden Bergleute und bezeichnete das Verhalten als unsolidarisch. Man werde weitere rechtliche Mittel prüfen. Ein weiteres rechtliches Mittel ist die Nichtzulassungsbeschwerde beim LAG Hamm.

Quellenhinweise:

Legal-Tribune-Online vom 15.12.2020 und vom 28.01. 2020; Pressemitteilung der Kanzlei Kuhlmann mbH, Dortmund, vom 15.12. 2020; 24Vest.de vom 28.01.2020; BA für Wirt-schaft und Ausfuhrkontroll-en, Referat 422,  (Zuwend-ungsvoraussetzungen für APG-Berechtigte im Stein-kohlenbergbau); Kündi-gungsschutzklagen erfolgt-en gem. § 4 Satz 1 KSchG; WAZ vom 15.12.2020 und 07.01.2021; RAG-Presse-mitteilung vom 04.01.2021 sowie RK-Redaktion vom 13.01.2021

Fotonachweise:

Header: Brille und Gesetz-buch: Felix Wolf; Justizia: Gerhard G.; Bergleute: Han-gela, Paragraphen: Dimitris Vetsikas, alle pixabay.com

unten links: Revierkohle

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