Kapazitätsmarkt wird notwendig, wenn die Energiewende weiter verfolgt wird
Der Stromnetzbetreiber 50 Hertz hat endlich nachgerechnet und kommt zum (erwartbaren) Ergebnis, dass durch die verschärften Klimaziele ( die sog. Klimaneutralität soll nicht 2050, sondern schon 2045 erreicht werden) 50 Gigawatt an regelbarer Kraft-werksleistung durch die ideologisch begründete Dekarbonisierung bis 2030 wegfallen wird. Benötigt würden aber 60 GW an regelbaren Kraftwerken. Das hören wir gerne.
Nur: neu ist diese Diskussion nicht. Schon 2012 hat die Fa. Ecofys Germany GmbH im Auftrag des Umweltbundesamtes einen Zwisch-enbericht erstellt, der Auskunft über die Notwendigkeit und die Ausgestaltungsmöglichkeiten eines Kapazitätsmarktes gibt.
Begründet wird das Konzept der strategischen Reserve damit, das der bestehende Energy-only-Markt (bezahlt wird nur die tatsächlich benötigte Leistung, Anmk.d.Red.) mittelfristig versagen könnte bzw. der Energy-only-Markt zwar funktioniert, aber in Deutschland durch die erneuerbaren Energien nicht ausreichende Kapazitäten entstehen könnten. Mit anderen Worten: man benötigt eine Kapazitätsreserve, wenn Wind und Sonne wieder mal nicht ge-nügend Strom bedarfsgerecht liefert.
Im Prinzip ist das eine vernünftige Versicherungslösung, soweit man im Zusammenhang mit den erneuerbaren Energien überhaupt von Vernünftigkeit sprechen kann.
Die Fa. Ecofys und das Umweltbundesamt setzen nicht erst seit 2012 auf den Energy-only-Markt, da dieser für die erneuerbaren Energien positive Preissignale setzen würde. Die Zurückhaltung bei Investitionen für neue Kraftwerkskapazitäten wird als effizientes Funktionieren des Strommarktes interpretiert. Bei zunehmender Knappheit könnte man neue Kapazitäten erschließen, so dass als Option auch mehr Notstromaggregate am Markt verkauft werden könnten. Zynischer kann man die zukünftigen „Stromglättungs-maßnahmen“ (= Abschaltungen! ) aufgrund fehlender Kraftwerke nicht ins Auge fassen.
Auch die Fa. Consentec GmbH aus Aachen, die die Effekte von Kapazitätsmechanismen auf die Endverbraucherkosten 2021 für 50 Hertz Transmission analysiert hat, empfiehlt ähnlich zynisch an-mutende Dreistigkeiten.
Consentec beschäftigt sich mit verschiedenen Marktdesigns und rechnet vier Optionen aus. Bei bestehendem Energy-only-Markt und dezentralen Kapazitätsmärkten wären die Refinanzierungs-mechanismen weitgehend festgelegt, da die Verteilungs-und Kostenwirkungen wenig steuerbar wären. Stattdessen hängen diese stark vom individuellen Verhalten der Verbraucher ab, so die Firma. „Flexible“ Stromverbraucher könnten daher dazu beitragen, ihren Verbrauchszeitpunkt variabel festzulegen, um hohe System-lasten zu reduzieren. Das sollte natürlich fair, sozial ausgewogen und mit gezielten Anreizen versehen werden.
Im Klartext heißt das: zukünftig schalten Sie ihre Waschmaschine bitte erst nach einem Blick auf den Strompreis an. Bei Windstille sollten Sie es tunlichst unterlassen. Alternativ können Sie vielleicht noch den Strom Ihrer E-Auto-Batterie nutzen, soweit diese nicht zur Stromdeckung gesetzlich herangezogen wird.
Mit der Veröffentlichung des sog. Weißbuchs“ ein Strommarkt für die Energiewende“ hat das Bundeswirtschaftministerium allerdings eine deutliche Absage zur Schaffung eines Kapazitätsmarktes erteilt, da dieser die weitere Transformation der Gesellschaft auf eine klimaneutrale Zukunft erschwert. Daher ist im Strommarktgesetz vom 30.7.2016 auch keine derartige Reserve vorgesehen.
Wie der Gefahr eines Blackouts bei stetig steigendem Anteil fluktierender (schwankender) erneuerbarer Energien bei voll-ständigem Verzicht auf fossile Kraftwerke begegnet werden soll, bleibt offen.
Zwar sollen 68 neue Gaskraftwerke die Kohlekraftwerke ersetzen, aber das kann keine Lösung auf Dauer sein. Erstens sind Gaskraft-werke teuer, nur für die Spitzenlastabdeckung verwendbar und es handelt sich um fossile Energie. Zwar will man zu einem späteren Zeitpunkt Erdgas durch grünes Methan ersetzen, nur: woher der Strom dafür kommen soll, steht ebenfalls noch in den Sternen.
Der Chef von 50 Hertz Transmission, Stefan Kapferer, fordert daher konkrete gesetzliche Zusagen, um Investitionen in regelbare Kraft-werke wieder möglich zu machen. Denn diese würden auch in Zu-kunft dringend zur Gewährleistung von Versorgungsengpässen in wind-und sonnenschwachen Zeiten benötigt. Das sagen wir Übrigens schon seit über 20 Jahren.
Der GF der 50 Hertz-Tochter Märkte und Systembetrieb schätzt die Kosten für das Vorhalten einer gesicherten Kapazitätsreserve auf rd. 2,8 Mrd. EUR pro Jahr.
BMWI
Rückgang fossiler Brennstoffimporte sind ein Vorteil der erneuerbaren Energien
Im 8. Monitoring-Bericht zur Energiewende versteigt sich das Bundeswirtschaftsministerium zu der Aus-sage, dass der Rückgang fossiler Brennstoffimporte in 2018 um 24,6 Mrd. EUR bzw. um 2.468 Petajoule (1 PJ entspricht 277,7 Mio. kWh) nicht nur zur Ein-sparung geführt hat, sondern diese Einsparung auf den Ausbau der erneuerbaren Energien zurück-zuführen sei.
Wir können diese Summe noch die Begründung nachvollziehen. Denn das BMWI verstrickt sich selbst in Widersprüche. In dem gleichen Bericht wird nämlich erwähnt, das der Ausbau erneuerbarer Energien in 2019 um rd. 10,5 Mrd. EUR zurück-gegangen wäre, obschon die Bundesregierung den Ausbau mit Md. EUR an Steuergeldern subvention-iert.
Der weitere Zubau von Wind-und Solaranlagen sowie die vollständige Elektrifizierung des Verkehrs und der Industrie führt nicht zu weniger, sondern zu er-heblichem Mehrbedarf an Strom. Also muß zwangs-läufig auch der fossile Brennstoffimport wieder zunehmen. Denn ein klimaneutrales Deutschland kann keine gesicherte Energie zur Verfügung stellen.
Wie problematisch die Situation schon seit 2014 ist, zeigen die sog. Redispatch-Maßnahmen ( händische Notbewirtschaftung durch Kraftwerks-Mannschaft-en). Diese sind von 3000 auf über 7000 Eingriffe in 2020 gestiegen. Der Eingriff wird immer dann not-wendig, wenn zu wenig Wind- und Sonnenstrom zur Verfügung steht. Die Redispatch-Maßnahmen sorgen dafür, dass das Netz nicht zusammenbricht.
Quellenhinweise:
N.N.: Die Energie der Zukunft – 8. Monitoring-Bericht zur Energiewende 2018 und 2019, BMWI (Hrsg.) Berlin Febr. 2021; FAZ vom 19.06.2021; Nicolosi, Marco: Notwendigkeit und Ausgestaltungsmöglich-keiten eines Kapazitätsmechanismus für Deutsch-land, Umweltbundesamt (Hrsg.) Berlin 12/2012; 50 Hertz Transmission GmbH, Pressemitteilung vom 19.06.2021; Was ist ein Kapazitätsmarkt ? Next-Kraft-werk.de vom 11.07.2021; Leipziger Volkszeitung vom 01.07.2021, Schweizer Tages-Anzeiger vom 28.05. 2021; N.N.: Bewertung des Effekts von Kapazitäts-mechanismen auf Endverbraucherkosten, Consentec GmbH Aachen i.A. von 50 Hertz Transmission GmbH, Entwurf vom 15.06.2021; VDI-Nachrichten vom 25.06.2021; Bundesverband Braunkohle (DEBRIV), Pressemitteilung vom 20.05.2021 sowie RK-Redaktion vom 12.07.2021
Fotonachweise:
Header: Modell Kraftwerk Heyden, Revierkohle; rechts darunter: 1.Foto: Revierkohle, 2. und 3 Foto: pixa-bay.com
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Steinkohle-KW Heyden
wurde zur Stillegung von uniper zum 31.6.2021 angemeldet und dient ab 1.8.2021 als Reservekraftwerk. Das Modell könnnen Sie über unseren Shop erwerben ! -
es geht auch ohne Strom
Kerzen verbreiten so viel Gemütlichkeit -
für die Klimarettung
sollte man bereit sein, auch mal in die saure Zitrone zu beißen, oder nicht ?
In der Netzreserveverordnung vom 26.7.2016 ist zwar für solche Fälle die Vorhaltung von Reservekraftwerken ausdrücklich vorgesehen, um regionale Transportengpässe im Stromnetz zu überbrücken, aber der Redispatch mit Hilfe der Reservekraftwerke funktioniert nur unter der Prämisse, dass die aktiven Kraftwerke den Engpass aufgrund fehlenden Ökostroms nicht ausgleichen können. Und dieses Problem wird sich bei weiteren Abschaltungen verstärken.
Wegen des Zubaus von weiteren Windkraftanlagen hat sich die Zahl der von der Bundesnetzagentur als systemrelevant eingestuften Reservekraftwerke erheblich erhöht. Betrug die vorgehaltene Netzreservekapazität in 2014 noch 3.636 Mega-watt an Leistung, so schnellte diese im Winter 2016 bereits auf 7.800 MW hoch. Für den Winter 2020 geht die BNetzA von einem Reservebedarf von 6.596 MW und für den Winter 2022/2023 von 10.647 MW aus. Für den Prognosezeitraum 2045 ( Zielerreichung Klimaneutralität !) rechnet die BNetzA mit Netzreserve-kraftwerken, die dann 8.042 MW an Leistung vorhalten werden. Hinzu kommt noch eine Sicherheitsbereitschaft von Braunkohlekraftwerken. Die werden aber bis 2038 ebenfalls vom Netz gehen.
Begründet wird diese Doppelgleisigkeit von der Bundesregierung damit, dass die Sicherheitsbereitschaft mithilft, die Klimaschutzziele zu erreichen.
In der Schweiz ist man da viel einsichtiger. Der Chef des Verbandes schweiz-erischer Elektrizitätsunternehmen VSE, Michael Frank, warnt vor der Gefahr eines Netzausfalls. Die EU nehme die Probleme, die mit dem Ausbau von erneuerbaren Energien für die Versorgungssicherheit zunehmen, billigend in Kauf. Daher wäre es sinnvoller, die Netzstabilität vom Strommarkt zu entkoppeln.
Ein zusätzlicher Ausbau von erneuerbaren Energien, um die Importabhängigkeit zu verringern, wäre sehr teuer, so Frank. Zwar hat die Schweiz den Vorteil, dass im Land Wasserkraftwerke bestehen, jedoch müßte deren Leistung immer öfters für die Sicherstellung der Netzstabilität herangezogen werden, vor allem im Winter. Daher müsse man überlegen, Gaskraftwerke aufzubauen, um die Netz-stabilität sicher zu stellen.
Das diese Probleme aber ausschließlich auf Grund des Ausbaus regenerativer und damit fluktuierender Energien zurückzuführen und damit eigentlich zu beend-en sind, kommt auch Herr Frank offensichtlich nicht.