Seit Januar 2022 ist die Emscher auf rd. 80 Kilometer Länge komplett Abwasserfrei. Die ehemalige Köttelbecke des Reviers galt über Jahrzehnte als der schmutzigste Fluss Deutschlands. Nach 30 Jahren Umbau und Renaturierung schlängelt sich nun wieder ein blau-grünes Band der Symphatie durchs Ruhrrevier.
Im Zuge der Renaturierung des Umbaus und der unterirdischen Verlegung der Abwasserströme hat sich seit 1990 die Artenvielfalt verdreifacht.
Am Quellteich in Holzwickede östlich von Dortmund entspringt die Emscher und legt 110 km bis nach Dinslaken zurück, um dann in den Rhein zu münden. Am Emscherquellhof hat der 1899 gegründete Wasserwirtschaftsverband auch seinen Sitz. Die Körperschaft wird von den Städten, den Kommunen und der RAG getragen.
Lange ist es her, als Michael Holzach in seinem Buch „Deutschland umsonst“ über die Emscher vor 40 Jahren schrieb, dass kein Fluss der Welt so abwechslungsreich in seiner Abscheulichkeit ist und kein Fluss der Welt bei aller monotonen Traurigkeit so viele Überraschungen bietet. In der Tat, die Emscher war eine stinkende Kloacke, die in einem schnurgeraden Betonbett durchs Revier zog.
Das Betreten der Böschungen oder des Kanalbeckens war streng verboten. Überall standen Warnschilder mit der Aufschrift „Lebensgefahr! Emscher-Sperrzone“ oder „Meideraum“.
GESCHAFFT
DAS KAPITEL EMSCHER GEHT WEITER von der Kanalisierung zum lebensfähigen Wasser
Christoph Hübner und Gabriele Voss haben von 2006 bis 2015 60 Kurzfilme über Menschen, Orte und Veränderungen rund um die Emscher dokumentiert. Der filmische Werdegang beginnt im Osten. Dort verlief die Emscher in Rohren einst unter dem Phönix-Stahlwerk hindurch, vorbei am Bolmker Weg im Dortmunder Süden, vorbei an der Kokerei Hansa bis zum Hochwasser-Rückhaltebecken in Mengede/Ickern. Thematisiert werden auch die großen Baustellen, über die Revierkohle vor einigen Jahren bereits berichtete. Der Filmzyklus findet an drei Tagen von 11.00 bis 18.00 h im Oktober statt und wird am 30.10.2022 mit einer Podiumsdiskussion in der Mischanlage der Kokerei Zollverein abgeschlossen.
Die Emscherregion zwischen Dortmund und Dinslaken war 1850 noch eine sumpfige Auen-landschaft. Das änderte sich mit dem Beginn der Industriealisierung schlagartig. Wie Pilze schossen Berg-und Stahlwerke aus dem Boden. Es entstand ein industrieller Ballungsraum. Die Bevölkerung explodierte. Mit den Zechen kam das Grubenwasser, mit der Industrie griftige Abwässer und mit den vielen Menschen kamen auch die Fäkalien.
Aufgrund von Bergsenkungen durch den Kohlenab-bau konnten damals keine unterirdischen Kanali-sationsrohre verlegt werden. Also müffelte es bis 1990 am toten Fluss wahlweise mal nach faulen Eiern, dann roch es süß und modrig oder ab-wechlunsgsweise auch schon mal nach Maische der Dortmunder Brauereien. Je nach einleitendem Rohrkaliber. Und natürlich schwamm auf der Wasserobefläche alles mögliche mit: Kot, Papier, Unrat.
Bei Starkregen konnte es besonders unangenehm werden. Dann trat die Emscher häufig gerne mal aus dem Uferbett heraus. Anfang des vorigen Jahrhunderts führte das dann auch zu Seuchen.
Aufgrund dieser Erfahrungen wurde die Emscher Anfang des 20. Jahrhunderts durch die Emscher genossenschaft begradigt. Sie wurde eingedeicht und in ein Betonkorsett gepresst. Dann stellte man Sicherheitszäune und Eisentore entlang des Fluss-ufers auf. So konnte die braune Brühe Niemandem mehr gefährlich werden.
Die Bewohner entlang der Emscher kämpften viele Jahre vergeblich gegen die starken Geruchsbe-lästigungen. Sie wollten nicht länger im Dreck sitzen.
Im Zuge der Nordwanderung stellte die RAG die Kohlenförderung nach und nach ein. Nach der ersten Zechenschließungswelle Anfang der 1960er Jahre folgte Anfang 1992 die zweite Zechen-schließungswelle. Dadurch minimierte sich das Risiko von Bodensenkungen. In dieser Zeit begann der Umbau der Emscher.
Das Ziel war, die Emscher und ihre Nebenflüsse von Abwasser, Gestank und Schmutz zu befreien sowie den Flussverlauf weitestgehendst unter die Erde zu verlegen. Daher baute man einen 51 Kilometer langen Abwasserkanal zwischen Dortmund und Dinslaken. Der Bau dauerte 30 Jahre und hat 5,5 Mrd. EUR gekostet.
Mit vielen Klärwerken, riesigen Pumpwerken unter Tage und ganz viel Technik ist die Emscher vom dreckigsten zum teuersten Fluss Deutschlands mutiert.
Die rd. 2,4 Mio. Menschen, die in der Emscherzone im nördlichen Ruhrrevier leben, freuen sich über die Wiedergewinnung der Natur, die so viele Jahrzehnte ausgemergelt war.
Was fehlt, sind die vielen Arbeitsplätze, das lebhafte Durcheinander und Gewirr, das dem Nicht-eingeweihten früher so wild und anarchisch vor-kam. An diese wilde Zeit erinnern heute nur noch begrünte Bergehalden, verrostete Fördertürme, ein paar Zechenkolonnien und einige Schrottplätze. Glückauf !
Dauerausstellung
Das Ruhr-Museum hat die Geschichte der Emscher im Bild festgehalten und auf 24 Stationen in der ehemaligen Kohlenwäsche auf Zollverein XII in Essen-Katernberg installiert. Die Dauerausstellung kann kostenfrei Mo-So von 10.00 h bis 18.00 h bis zum 16.04.2023 besucht werden.
Quellenhinweise:
TAZ vom 19.08.2021; WDR vom 02.01.2022; Emscherskizzen. Mernschen und Orte im Emschertal, Zollverein.de sowie RK-Redaktion vom 14.10.2022
Fotonachweise:
Header: Hintergrund: Kran in Duisburg, pixabay.com, Vordergrund: Emscher mit Gasometer in Oberhausen: Günter Ermlich, künstl. Veränderung: Revierkohle; links unten: Abwasserfrei: Industrie mit Emscherverlauf in Pastell: Revierkohle; links darunter: ARD; künstl. Veränderung: Revierkohle; daneben: Emscher-Auenlandschaft: ARD; künstl. Veränderung: Revierkohle ; rechts daneben: Gasometer in Oberhausen und Emscherverlauf bei Nacht: Markus Lindner, pixabay.com