Liebe Leserinnen und Leser! Wir können es selbst kaum glauben, aber es ist wahr: Der Ernst des Bergbaus wird sich im Rahmen einer neuen Kooperationsvereinbarung zwischen dem Trainingsbergwerk Recklinghausen und der Bergbau-Hochschule Georg Agricola in Bochum zukünftig auch in einen Hörsaal voller Innovationen verwandeln.
Stellen Sie sich vor: Statt eines muffigen Hörsaals, in denen man zwischen grauen Wänden sitzt und über die Vorzüge von Kohle und die Folgen des Nachbergbaus spricht, werden angehende Bergbauingenieure nun in einem echten Stollen unterrichtet! Das Trainingsbergwerk Recklinghausen öffnet seine Pforten für die Wissenshungrigen, und die Bergbau-Hochschule Georg Agricola hat diese Gelegenheit genutzt, um den Bildungsbetrieb teilweise demnächst unter Tage zu verlagern.
Die Vorteile liegen auf der Hand, oder besser gesagt, unter der Erde, stellte der Leiter und Vorsitzende des TBW, Dipl.-Ing. Uwe Seeger, kurz und knapp fest. Die Studierenden werden nicht nur mit theoretischem Wissen überhäuft, sondern können ihre frisch erworbenen Kenntnisse auch direkt in der Praxis anwenden. Ein Seminar über Streckenauffahrung und Rohstoffgewinnung ? Kein Problem, einfach raus aus dem Hörsaal und rein in den echten Stollenbetrieb mit echten Bergleuten ! Wer braucht schon PowerPoint-Präsentationen, wenn man sich direkt vor Ort mit Spitzhacke und Helm austoben kann?
Und mal ehrlich, wer würde als Student/in nicht gerne seine Vorlesungen in einem atmosphärischen Bergwerk verbringen? Vergessen Sie stickige Seminarräume – hier atmen die Studierenden frische, von Gestein geprägte Luft ein. Ein wenig wie Urlaub im eigenen Studium! Der Hörsaal wird zum Abenteuerspielplatz und der Dozent zum modernen Fahrsteiger.
Aber Spaß beiseite, die Kooperation zwischen dem Trainingsbergwerk Recklinghausen und der Bergbau-Hochschule Georg Agricola zeigt, dass Lernen nicht immer nur auf brettharten Sedilien (Bestuhlungen) stattfinden muss. Man kann Wissen tatsächlich mit Spaß verbinden – vor allem, wenn der Lehrstuhl plötzlich in einen echten Schacht umfunktioniert wird. Wenn auch, wie im Fall des TBW, nur in einen Blindschacht.
In einer Zeit, in der die Verbindung von Theorie und Praxis immer wichtiger wird, setzen beide Institutionen ein Zeichen für eine neue Ära des Bergbaustudiums. Also, liebe Studierende, schnappt euch euren Helm, packt die Notizblöcke ein und ab in den 1.200 Meter langen Stollen – die Zukunft des Bergbaus und des Nachbergbaus wartet unter Tage auf Euch!
zukunftsfähige Mining-Kooperation
Ziel: bessere Verzahnung zwischen bewährter Bergbautechnik und wissenschaftlicher Lehre
Die lebendige und voll funktionsfähige Bergwerksumgebung im Trainingsbergwerk Recklinghausen wird für die Studenten/innen in Zukunft im Rahmen Ihrer Ingenieursausbildung einen praxisnahen Baustein darstellen, der es ihnen erleichtern wird, sich nicht nur theoretisch, sondern ganz konkret mit Gebirgsdrücken, Vermessungstechniken in untertägigen Hohlräumen und der nachhaltigen Gewinnung von Rohstoffen anschaulich auseinander zu setzen. So die Wunschvorstellung von Prof. Dr. Albert Daniels, Leiter des Studiengangs Rohstoffgewinnung und nachhaltiges Ressourcenmanagement an der technischen Hochschule Georg Agricola in Bochum.
TRANSFORMATION SCHREIBT MAN AN DER THGA GROSS
Anwendungsorientiertes Wissen für die Praxis zu vermitteln, steht für die technische Hochschule Georg Agricola (THGA) seit 1816 ganz oben auf dem Programm. 1816 war die THGA allerdings noch eine ganz normale Bergschule, die Steiger und mittlere „Grubenbeamte“ für die zahlreichen Zechen im Revier ausbildete. Die normalen Bergleute wurden in den Bergberufsschulen ausgebildet. Wer fleißig war, konnte sich ohne Probleme auch ohne Abitur bis zum Bergbau-Ing. ausbilden lassen.
Heute bietet die THGA eine breite Palette von Studiengängen an. Neben Bergbau-Ingenieuren werden in Bochum auch Wirtschafts-Ingenieure, Geowissenschaftler, Materialwissenschaftler und seit Neuestem auch Ingenieure für den Nachbergbau ausgebildet. Und die THGA will weiter wachsen.
Auf dem brach liegenden Gelände der ehemaligen Pumpen-Müller-Fabrik in Herne wird die THGA ein neues Transformationszentrum für Georessourcen und Ökologie (TGÖ) errichten. 80 Wissenschaftler sollen dort in Zukunft forschen.
Die Deutsche Montan-Gesellschaft für Lehre und Bildung als Trägerin der THGA und des Bergbaumuseums in Bochum, die RAG-Stiftung und die Stadtentwicklungsgesellschaft Herne als Eigentümerin des Geländes unterzeichneten bereits im Dez. 2023 eine entsprechende Absichtserklärung.
Und damit es nicht bei einer Absicht bleibt, hat der sog. Strukturstärkungsrat des Landes NRW für dieses Projekt Fördermittel in Höhe von 44 Mio. Euro zugesagt.
Die Kohle kommt aus dem „5.Standorte-Programm“ der Bundesregierung. Sie will damit den vom Strukturwandel besonders gebeutelten ehemaligen Kohle-Städten Gelsenkirchen, Hamm, Herne, Unna und Duisburg unter die lahmen Arme greifen, um diese wieder aufzurichten.
Die Bundesregierung hat für dieses Vorhaben sowohl für West-als auch für Ostdeutschland (Braunkohlereviere) einen Fond in Höhe von 1 Mrd. Euro bereitgestellt. Die o.g. NRW-Städte erhalten aus diesem Topf 662 Mio. Euro.
Vermittelt wird dabei nicht nur altes Bergbauwissen, sondern auch das Wissen für einen nachhaltigen und schonenden Lagerstättenabbau. Das ist für NRW und das Saarland seit Schließung der letzten Zechen im Jahr 2018 zwar nicht mehr relevant, aber die zukünftigen Ingenieure/innen werden in Bochum für die ganze Welt ausgebildet. Anders als in Deutschland, setzen die meisten Länder der Welt nach wie vor auf die Kohle und ihre Derivate.
Unter einem umweltschonenden und nachhaltigen Rohstoffabbau versteht man an der THGA u.a, das man sich bemüht, den mechanischen Aus-und Abbau digital zu unterstützen, um z.B. Gebirgsdrücke besser voraus-berechnen zu können und Bergematerial nahtlos zu recyclen. Das ist eine anspruchsvolle Transfer-Vermittlungsaufgabe, die sich die THGA aber gerne stellt. Schließlich trägt diese Transferleistung auch zu einer Attraktivitätssteigerung des Studiengangs an der THGA bei.
Quellenhinweise:
Pressemitteilung der THGA vom Jan. 2024; Strukturwandel in den Steinkohleregionen, Min. für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes NRW , o.J. (Hrsg.) wirtschaft.nrw; RAG-Pressemitteilung vom 22.01.2024; N.N: Neue Perspektiven für das Ruhrgebiet: Auftakt für das 5-StandorteProgramm zur Begleitung des Kohleausstiegs, Land.NRW, Pressemitteilung vom 10. 06.2020 sowie RK-Redaktion vom 14.02.2024
Fotonachweise:
Header: Revierkohle-Entwurf;links darunter: Uwe Seeger, TBW; darunter: TBW-Verwaltung: TBW; links darunter (Strecke): TBW; links darunter (Studenten): pixabay.com; rechts darunter: Hörsaal: pixabay.com