BLOCK E UND F SIND VOM NETZ GEGANGEN
Die jüngste Ankündigung der Stilllegung der Kraftwerkblöcke E und F sowie des Braunkohletagebaus Jänschwalde mag auf den ersten Blick wie ein Schritt in Richtung Umweltschutz erscheinen, aber bei genauerer Betrachtung offenbart sie eine Vielzahl von unbequemen Wahrheiten, die oft übersehen werden.
Zunächst einmal ist da die Frage der Stromversorgungssicherheit. Die Abschaltung dieser Kraftwerksblöcke und des Tagebaus ohne ausreichende Alternative in Form von zuverlässigen und preiswerten Energiequellen ist ein riskantes Unterfangen. Denn dadurch steigt die Abhängigkeit vom Ausland enorm an. Deutschland steht bereits seit Einführung der erneuerbaren Energien im Jahre 2000 vor Herausforderungen in Bezug auf die Stabilität seines Stromnetzes.
Das belegen die mittlerweile über 7000 händischen Notbewirtschaftungen durch die Kraftwerks-mannschaften (die sog. Redispatch-Maßnahmen, um einen Netzzusammenbruch in letzter Minute zu verhindern ). Die plötzliche Stilllegung von weiteren Kohlekraftwerken verschärft dieses Problem. Es ist naiv zu glauben, dass die Lücken in der Energieerzeugung schnell und problemlos durch Windkraft, Photovoltaik und grünem Wasserstoff gefüllt werden können, und die potenziellen Folgen für die Stromversorgung sind gravierend.
Des Weiteren ist der Verlust von Arbeitsplätzen ein kaum zu ignorierendes Thema. Die LEAG mag behaupten, dass sie sich um die betroffenen Arbeitnehmer kümmern wird, aber die Realität sieht oft anders aus. Die Arbeitsplätze in der Kohleindustrie sind oft hochspezialisiert und schwer zu ersetzen. Die Versprechungen von Umschulungen und Unterstützung bei der Arbeitssuche können getrost als PR-Phrasen bezeichnet werden, denn die meisten Bergleute sind um und über 50 Jahre alt. Die kommen nirgendwo mehr unter. Da sollte man sich nichts vormachen. Aus diesem Grunde sind die Bergleute auf den Steinkohlenzechen in NRW und im Saarland auch nicht zum Arbeitsamt gegangen, sondern wurden mit einem goldenen Handschlag in Form einer Frühverrentung (Anpassung genannt) nach Hause geschickt.
Darüber hinaus ist die wirtschaftliche Auswirkung auf die Region nicht zu unterschätzen. Jänschwalde und umliegende Gemeinden sind stark von der Kohleindustrie abhängig, und die Stilllegung von Kraftwerken und Tagebauen wird einen schwerwiegenden dominoeffektartigen Effekt auf die lokale Wirtschaft haben. Kleine Unternehmen, die von der Kohleindustrie abhängig sind, werden ebenfalls leiden, und die Aussicht auf wirtschaftliche Erholung ist düster.
Es ist leicht, sich von der Rhetorik des Klimaschutzes blenden zu lassen, aber die Entscheidung, Kohlekraftwerke und Tagebaue stillzulegen, sollte mit Augenmaß erfolgen. Und genau daran fehlt es auf ganzer Linie. Die Bundesregierung und die Landesregierung von Brandenburg werden die unbequemen Wahrheiten dieser Maßnahme früher oder später anerkennen und ganz viel Geld in die Hand nehmen müssen, um die negativen Auswirkungen auf die Stromversorgung, die Arbeitsplätze und die Wirtschaft abzumildern. Sonst riskieren Sie, eine soziale und wirtschaftliche Krise in einer bereits schwachen Region zu verschärfen, alles im Namen der Klimarettung. Schon heute ist die AfD Nutznießer dieser unheilvollen Entwicklung.
Stunde Null in Jänschwalde 3000 Menschen setzten ein Zeichen gegen den Verlust weiterer Arbeitsplätze
Erst kamen 600 Bergleute zur Stadthalle nach Cottbus, dann folgten am 30.09.2018 weitere 3000 Menschen, um sich mit den Bergleuten des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde zu solidarisieren. Die IG BCE forderte ein Ende des Verlustes von weiteren Arbeitsplätzen aufgrund der Energiepolitik der Bundesregierung. Damals ging Block F in die Sicherheitsreserve. Aber schon 1988 ging der erste Block des Kraftwerks vom Netz. Bei den Kraftwerkern herrschte damals wie heute völliges Unverständnis. Gegenüber der Politik fühlen sie sich ohnmächtig. Das könnte sich bei der nächsten Wahl negativ für die Bundesregierung auswirken.
Und nun wurden in Jänschwalde die Blöcke E und F mit jeweils 500 MW an Leistung gem. dem Kohleausstiegsgesetz vom Netz genommen. Im Kraftwerk Jänschwalde sind noch vier 500-Megawatt-Blöcke in Betrieb. Nachdem bereits in 2023 der Tagebau Jänschwalde aufgegeben wurde, werden Ende 2028 auch im Kraftwerk die Lichter endgültig ausgehen.
rechts: 600 LEAG-Bergleute vor der Stadthalle in Cottbus, Foto: Youtube-Screenshot
Nachdem die Mannschaft dafür gesorgt hat, das Millionen von Menschen zuverlässig und preiswert 35 Jahre lang mit Strom und Wärme versorgt wurden, bekommt diese nun den Laufpass. Von den 110 Mitarbeitern, die bisher für die beiden Blöcke E und F zuständig waren, bleiben vorrübergehend noch 36 Mitarbeiter für die ordnungsgemäße Herrunterfahrung und Überwachung in Beschäftigung. Die übrigen Mitarbeiter gehen in Rente.
Der ostdeutsche Energieverorger LEAG plant, den Standort zu erhalten und nach 2028 Strom auf Basis von (grauem) Gas-und Wasserstoff zu produzieren. Außerdem soll ein Speicherkraftwerk auf dem Gelände ent-stehen.
Für die fragwürdige Stilllegung erhält die LEAG von Bundeswirtschafts-minister Robert Habeck stolze 1,75 Mrd. EUR an Entschädigungszahlungen wegen des freiwillig vorgezogenen Kohleausstiegs. Kein Wunder, warum sich LEAG-Chef Thorsten Kramer für die tolle Mitteilung bedankte. Er sieht sein Unternehmen (wie alle anderen Energieversorger) auf dem besten Weg zu einem grünen Energiekonzern. Schließlich will man noch einen der größten Solarparks Europas errichten. Bis 2030 sollen 80 % des Stroms aus er-neuerbaren Energien stammen. Alles vom Steuerzahler subventioniert. Versteht sich.
Von den in 2023 erzeugten 514,6 Mrd. kWh haben die konventionellen Kraft-werke einen Anteil von 48 % an der Bruttostromerzeugung. Der Anteil der er-neuerbaren Energien liegt dagegen bei 52 %. Nun könnte man meinen, das der weitere Ausbau von Wind-und Solaranlagen wunschgemäß dazu führen wird, das in 2030 automatisch 80 % des Stroms aus regenerativen Energie-trägern stammt.
Das ist aber eine Milchmädchenrechnung, denn die Berechnung des Wirkungsgrades von WKA ist schon etwas komplizierter, da man nicht von der installierten Nennleistung, sondern von der tatsächlich zur Verfügung stehenden Leistung im Bedarfsfall ausgehen muß. Und da standen in 2023 von den rd. 50.000 Megwatt installierten Wind-und Solarstroms im Durch-schnitt nur 16,9 % der installierten Leistung tatsächlich zur Verfügung.
Mit anderen Worten: fast jeden Tag liegt der Bedarf wesentlich höher als die tatsächlich zur Verfügung stehende Leistung von regenerativen Energie-trägern. Die Grafik links zeigt den Lastgang für Februar 2024 und macht das Dilemma deutlich.
Die Geschichte von Jänschwalde
1976 wurde in der damaligen DDR der Grundstein für das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde, 25 km nördlich von Cottbus gelegt. In dem ehemaligen VEB-Betrieb gingen zwischen 1981 bis zum Mauerfall 1989 sechs 500 Megawatt-Kraftwerksblöcke in Betrieb.
Von 1991 bis 1996 war man emsig darum bemüht, das Werk mit modernster Umweltschutztechnik nachzurüsten. 2014 wurde dann auch die Dampfturbine auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Damit war eine erhebliche Steigerung des Wirkungsgrades bei gleichzeitiger Reudzierung von CO2-Emissionen verbunden.
Allein in 2020 wurden in Jänschwalde noch 12 Mrd. kWh an Strom für 3,4 Mio. Haushalte in Brandenburg zuverlässig produziert. Darauf kann die Mannschaft stolz sein.
Und seit über 30 Jahren werden am Kraftwerksstandort Speisefische wie Karpfen, Forellen und Welse gezüchtet. Die Abwärme des Kraftwerks sorgen dafür, das die Fische überwintern können, bevor sie jedes Jahr in den benachbarten Peitzer Teich ausgesetzt werden. Das ist ein gefundenes Fressen für die zahlreichen Graureiher, Möwen, Schwäne und Weißstörche, die sich ebenfalls in der Nähe des Kraftwerks angesiedelt haben. Auch Bienenvölker siedeln auf dem Kraftwerksgelände.
Im Kraftwerk Jänschwalde wurde bisher Braunkohle aus dem benachbarten Tagebau Jänschwalde und aktuell noch aus den Lagerstätten Welzow-Süd und Nord verstromt.
Die Kohle gelangt mit LEAG-Zügen bis zum Entladebunker des Kraftwerks. Dort wird sie grob zerkleinert, getrocknet und in der Kohlenmühle zu Staub zermahlen. Der Kohlestaub wird dann in den Feuerraum des Dampferzeugers eingeblasen.
Im Innern des Dampferzeugers befinden sich Rohrleitungsschlangen, in denen sich Speisewasser befindet. Dieses wird durch den rd. 1000 Grad heißen Dampf erhitzt und gelangt unter hohem Druck in die Turbine des Kraftwerks. Diese treibt den Stromgenerator an.
Der überschüssige Wasserdampf wird über die Kühltürme sichtbar in die Atmosphäre abgegeben.
Selbstverständlich verfügt das Kraftwerk auch über eine moderne Rauch-gasentschwefelungsanlage. Außerdem ist Jänschwalde ein zertifizierter Entsorgungsbetrieb. Die Abfälle werden fachgerecht aufbereitet und einer weiteren Verwendung zugeführt. ( Schlacke und Gips z.B. für den Straßenbau und die Produktion von Beton)
Das soll nun alles vorbei sein ? „Die Kraftwerksmannschaft weiß zwar seit drei Jahren, das die Stilllegung kommen wird, aber es fällt uns heute sehr schwer, unsere Gefühle zu kontrollieren. So ein emotionaler Moment tut einfach weh“, so Kraftwerksleiter Andreas Thiem am Tag der Stilllegung der beiden Blöcke.
Quellenhinweise:
LEAG-Pressemitteilung vom 30.09.2018 und 30.03.2024 (leag.de); rbb24.de vom 31.03.2024; saechsische.de vom 27.02.2024 und 31.03.2024; Lausitzer Rundschau vom 21.01.2024; Eike.de vom 26.07.2017 und 10.04.2023 (zur Berechnung des Wirkungsgrades von Windkraftanlagen) sowie RK-Redaktion vom 14.04.2024
Fotonachweise:
Header: Youtube-Screenshot: Illustration: Revierkohle; links unter dem Youtube-Video: pixabay.com; rechts darunter: Youtube-Screenshot