Der deutsche Netzausbau, einst gefeiert als infrastruktureller Paukenschlag, entwickelt sich mehr und mehr zur staatlich geförderten Version eines finanziellen schwarzen Lochs. Trotz des stolzen Preises von 327,7 Milliarden Euro bis 2045 und der Ankündigung, dass dies die Netzstabilität maßgeblich fördern soll, zeigt sich: Die Rechnung ist gemacht, der Fortschritt aber steht irgendwo im Stau. Und woran liegt es? Vor allem am „unerschütterlichen“ Glauben an den flächendeckenden Ausbau von Windkraftanlagen, die zwar kräftig blasen, aber die stabilisierende Wirkung für das Netz irgendwie nicht ganz mitbringen.
Die Mathematik der Milliarden
327,7 Milliarden Euro! Was könnte Deutschland nicht alles damit anstellen? Schulen renovieren, das Gesundheitssystem entlasten, Renten sichern. Stattdessen aber steckt dieses Vermögen in der Stromnetzoptimierung – oder besser gesagt: in der Hoffnung auf Optimierung. Die Realität sieht nüchterner aus.
Nach der Theorie müsste unser Netz 2045 stabil wie nie sein. Die Wahrheit jedoch ist ein Flickwerk an Hochspannungsleitungen, die den Wind dort hinbringen sollen, wo er gebraucht wird – oder könnte. Wenn er denn da ist. Windstrom ist darüber hinaus volativ. Er schwankt. Was die Netzstabilität eher gefährdet. Daher müssen ständig die Grundlastkraftwerke einspringen, um einen Netzzusammenbruch zu verhindern. An fast jedem Tag im Jahr. Auch diese sog. Re-Dispatchmaßnahmen schlagen ordentlich zu Buche.
Der Netzumbau bleibt somit ein gigantisches Glücksspiel: Die Zeche zahlt der Steuerzahler, die Wahrscheinlichkeit, dass er oder sie davon spürbare Vorteile erlebt, steht in etwa so günstig wie ein Lottogewinn. Die Versprechen der Politik klingen schön: „saubere Energie“, „autark und nachhaltig“, „Sicherung der Netzstabilität“. Doch der durchschnittliche Haushalt rechnet sich lieber seine Stromrechnung schön, statt auf politische Heilsversprechen zu bauen. In der Praxis wird das Ganze eher zu einem Paradox, das nicht so recht ins grüne Konzept passen will.
Windkraftanlagen: Götter in der Krise
Die Windkraft als Herzstück der Energiewende ist in den letzten Jahren von einer Art erneuerbarer Heilsarmee zu einem Symbol für finanzielle Fehlallokationen geworden. Überall werden Windparks errichtet, dabei aber nur selten dort, wo die Energie tatsächlich benötigt wird. Nord- und Ostdeutschland glühen förmlich vor Windkraftkapazität, doch die Lastzentren liegen bekanntlich anderswo – im Süden etwa, wo der Wind nicht ganz so pustet und daher die Stromlieferungen auf langen und teuren Wegen ankommen. Ergebnis: Energiewende als Flickwerk.
Doch damit nicht genug. Windkraftanlagen sind wetterabhängig – und wenn der Wind ausbleibt, muss irgendwer anderes einspringen, damit wir nicht in die Dunkelheit stürzen. Kohle- und Gaskraftwerke werden noch lange das Rückgrat unserer Versorgung sein, auch wenn diese Aussage politisch mittlerweile etwa so beliebt ist wie der Hinweis auf die Erde als Kugel im Mittelalter.
Die „stabilitätsfördernden Maßnahmen“: zwischen Hoffnung und Realitätsferne
Es gibt aber ein Licht am Ende des Tunnels: die „stabilitätsfördernden Maßnahmen“. Jeder weitere Euro soll in eine Verbesserung der Netzsituation fließen – was laut Plan einmal funktionieren wird. Doch selbst die optimistischsten Berechnungen gehen davon aus, dass wir 2045 kein Land der permanenten Netzstabilität sein werden. Vielmehr entwickeln wir uns zum Land der flexiblen Netzabschaltungen, wo Spitzenlasten nicht mehr abgefedert, sondern schlicht verteilt werden. „Verbrauchsoptimierung“ nennt das die moderne Netzlogik, oder etwas weniger blumig ausgedrückt: Manchmal ist eben nicht genug Strom für alle da.
Diese grandiose Lösung sieht vor, dass bestimmte Abnehmer im Bedarfsfall einfach vom Netz genommen werden – im Zweifel Haushalte oder mittelständische Unternehmen, die dann für den grünen Daumen der Republik den Stecker ziehen. Gleichzeitig sollen Pumpspeicherkraftwerke, Batteriesysteme und „intelligente“ Verbraucherschaltungen die „Schutzmaßnahmen“ unterstützen, die dann zum Einsatz kommen, wenn der Wind mal wieder eine Pause macht. Stabilität wird in einigen Jahren also anders buchstabiert werden müssen.
Die vier Übertragungsnetzbetreiber Amprion, 50Hertz, Tennet und TransnetBW erläuterten gegenüber der Bundesnetzagentur in ihrem aktuellen Netzentwicklungsplan, das die bisher kalkulierten Kosten von 313,6 Mrd. Euro leider nicht eingehalten werden können, da die Komponenten wie Konverteranlagen und Offshsoreplattformen sowie die Kosten für den an einigen Orten vorgesehenen unterirdischen Netzausbau gestiegen seien. Außerdem stehe man am Weltmarkt mit anderen Netzbetreibern im starken Wettbewerb um elektronische Netzkomponenten. Daher werden die Kosten voraussichtlich bis 2045 auf geschätzte 327,7 Mrd. Euro steigen.
Da immer mehr Öko-Strom auch von Privathaushalten dezentral eingespeist wird (Photovoltaik-Anlagen; Biogasanlagen etc.), müssen auch die Verteiler auf der unteren Netzebene umgerüstet werden. Gleichzeitig steigt der Stromverbrauch durch die zunehmende Installation von Wärmepumpen und Schnellladestationen für E-Autos.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht als Alternative zur Wärmepumpe nunmehr den Ausbau der Fernwärme vor. Zur Zeit erarbeiten alle Kommunen sog. Wärmepläne. Jahr für Jahr sollen mindestens 100.000 Gebäude auf der Grundlage des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) mit Fernwärme jedes Jahr neu versorgt werden. Aktuell sind allerdings erst rd. 14 % aller Wohnungen in Deutschland an das Fernwärmenetz angeschlossen. Selbstverständlich nicht auf der Basis von grünem, sondern von grauem Gas. Sprich: fossilem Erdgas.
Damit Deutschland die Klimaneutralität von 0 % CO2 bis 2050 erreicht, soll das Netz um 9.700 Kilometer bis 2045 erweitert werden. Und zwar um Rohre, die Wasserstoff transportieren können. Was die ganze Sache noch teurer machen wird. Parallel sollen wasserstofffähige Kraftwerke als Backup-Lösung für Dunkelflauten aufgebaut werden.
Ab 2027 soll nach dem Willen der Bundesregierung 259.000 Tonnen grünes Ammoniak aus Ägypten zum Preis von 811 Euro pro Tonne Ammoniak per Schiff nach Deutschland gekarrt werden. Also neun mal so teuer wie Erdgas.
Nun könnte man meinen, das 16 Cent für ein kWh Energie aus grünem Wasserstoff doch gar nicht so teuer ist, schließlich lag der Strompreis Anfang 2023 bei rd. 40 Ct/kWh deutlich höher. Doch das Bundeswirtschaftsministerium hat dabei einige Kostenbestandteile schlicht unterschlagen.
Denn es kommen noch die Kosten für den Schiffstransport, die Aufspaltung von Wasser in Wasser-und Sauerstoff mit unglaublich viel Strom durch Elektrolyseure, die Kosten des Crackers sowie die physikalisch bedingten Umwandlungsverluste von rd. 70 % bei der Stromerzeugung hinzu. Macht zusammen rd. 189 Euro zusätzlich.
Und wenn man die Kosten für die Wiederaufspaltung des Ammonias weiter hinzurechnet, kostet die Kilowattstunde Strom nicht mehr 16 Cent, sondern nach Berechnungen von Prof. Fritz Vahrenholt 49 Cent je kWh. Damit wäre der Wasserstoffstrom 14 mal so teuer wie der Strom in Amerika.
Da können wir nur froh sein, das wenigstens die Nachfrage nach E-Autos laut Branchenmagazin „Kfz-Betrieb um 51,1 % eingebrochen ist. Um die E-Fahrzeuge überhaupt vom Hof zu bekommen, müssen Verkäufer satte Rabatte von bis zu 27 % gewähren. Wir können daher nur hoffen, das die E-Mobilität an der Grenze von Ideologie und Realität scheitert. Das entlastet dann wenigstens das Stromnetz.
Umweltfreundlich sind E-Autos sowieso nicht. Und das Klima retten sie auch nicht. Das begreifen offenbar immer mehr Autobesitzer. Oder fehlt nur der Prämienanreiz ?
Quellenhinweise:
Eike.de vom 19.07.2024 (Hinweis von Prof. Fritz Vahrenholt); Eikle.de vom 10.08.2024; Handelsblatt vom 31.07.2024; boeckler.de vom 14.05.2024 (Böckler-Stiftung); iwkoeln.de vom 14.05.2024 ( Institut der deutschen Wirtschaft, Köln); kalksandstein.de vom 15.08.2024 ( Bundesverband); Spiegel.de vom 11.10.2024 sowie RK-Redaktion vom 14.11.2024
Fotonachweise:
Header: Strommast auf dem Lande: Revierkohle-Pastellzeichnung; Bundesadler: pixabay.com; links darunter: Transformator-Buntsift-Zeichnung: Revierkohle; Ursprungsfoto: pixabay.com; rechts darunter: Illustration: Revierkohle