neuer Podcast über die Budenkultur im Ruhrgebiet
Wer das Ruhrgebiet von Innen kennenlernen möchte, der sollte sich nicht auf die Plakate des RVR verlassen, der das Ruhrrevier großspurig als Metropolregion von Welt anpreist oder auf die Tourismusbranche, die im Zusammenhang mit Wald, Wasser und Industriebrachen von einem starken Stück Deutschland hoch-trabend philosophiert. Stattdessen sollte man sich an die Orte begeben, wo der Ruhri sich unter seinesgleichen befindet und sich damit praktisch als unbeobachtet fühlt.
Also hin zu den Werkbänken, Pommes-Buden, Sportarenen, zur Herner Kirmes, in die Kneipe umme Ecke (sofern es sie noch gibt) oder man stellt sich ganz locker „anne Bude“ und hält ein „Pläuschken“ mit dem Kiosk-Besitzer und seiner Stammkundschaft, die meistens davorsteht und Neuigkeiten austauscht. Das ist das eigentliche Zuhause des gebürtigen Ruhrpöttlers. Nicht die 3-Zimmer-Wohnung in Gelsenkirchen, Recklinghausen, Essen oder Duisburg. Dort ist es ehrlicher, stimmiger und unterhaltsamer als in jedem noch so gut gemeinten Bühnenstück.
Und seit der deutsche Steinkohlenbergbau und damit die letzte Zeche Prosper-Haniel in Bottrop Ende 2018 stillgelegt wurde, wird das Vergangene immer intensiver zum Kulturgut hochstilisiert. Und das trifft berechtigter Weise nicht nur auf die Zechen und die alten Hochöfen zu, sondern auch auf alles, was irgendwie nach Industrie-und Malocheromantik riecht bzw. gerochen hat. Man will bei der UNESCO sogar den Antrag stellen, das gesamte Ruhrgebiet zum industriellen Kulturerbe zu erklären.
Warum ist klar: die Beschäftigungsperspektiven in der Industrie werden immer schlechter und neue Großansiedlungen von Industriefirmen gibt es nicht. Also besinnt man sich auf die Kultur und will damit das Tourismusgeschäft ankurbeln. Konzerte in alten Industriehallen sind für die Chikeria schon seit längerem „en vogue.“ Und für das gewöhnliche Volk gibt es Zechenfeste und die Extraschicht.
In der Event-und Tourismusbranche werden zwar nur Hungerlöhne bezahlt, aber die Zuwendungen der UNESCO und der EU für strukturschwache Gebiete fließen dafür um so üppiger.
Um in dieser Umbruchzeit ( die Übrigens schon seit über 40 Jahren im Revier stattfindet!) entweder aufgrund des Alters oder aufgrund mangelnder Perspektiven psychisch nicht vor die Hunde zu gehen, versuchen viele Ruhris, sich an dem festzuhalten, was noch Halt gibt. Und das ist ganz sicher neben der Familie immer noch der Klönschnack an der Bude, im Supermarkt und in der Kneipe.
Die Ruhr-Tourismus GmbH in Oberhausen hat das schnell begriffen und hat vor einigen Jahren den 8. August zum „Tag der Trinkhallen“ mit Lifemusik und Lesungen ausgerufen, weil auch diese Branche auszulaufen droht. Mittlerweile gibt es spezielle Souvenirs und ein Trinkhallen-Kartenquartett.
Wir haben uns die Budenkultur ebenfalls angeschaut und daraus einen Podcast für Sie produciert. Hören Sie mal rein.