Die Diskussion um die Rückkehr zur Atomkraft ist wieder in vollem Gange. Angesichts der Energiekrise, steigender Strompreise und der behaupteten Notwendigkeit, CO₂-Emissionen reduzieren zu müssen, stellen sich viele die Frage, ob die einst geächtete Technologie wieder Teil des Energiemixes werden könnte. Doch die Debatte bleibt komplex und vielschichtig. Befürworter heben die Vorteile der Atomkraft hervor, Kritiker warnen vor den altbekannten Herausforderungen – insbesondere den Kosten und der Entsorgung von abgebrannten Brennstäben.
Kostenfalle Atomkraft
Atomkraftwerke galten einst als Symbol für technologische Fortschrittlichkeit und eine scheinbar unerschöpfliche Energiequelle. Doch der Schein trügt: Atomkraft ist eine der teuersten Formen der Energiegewinnung. Jedenfalls im Verhältnis zu Kohlekraftwerken, die neben Strom auch noch Wärme liefern können. Der Bau neuer Atomkraftwerke erfordert immense Investitionen, oft im zweistelligen Milliardenbereich. Hinzu kommen unvorhergesehene Kosten durch Bauverzögerungen und strenge Sicherheitsauflagen. Bestehende Anlagen kosten nicht nur in der Wartung, sondern auch im Rückbau – ein Prozess, der Jahrzehnte dauern kann und viele Milliarden Euros verschlingt.
Darüber hinaus ist der Betrieb nicht immer wirtschaftlich. Die Preise für fossile Energien liegen erheblich niedriger. Die Preise für regenerative Energieträger sind zwar noch niedriger, jedoch nicht marktfähig, da sie ausschließlich vom Steuerzahler subventioniert werden. Es verbietet sich für uns daher, die hohen Fixkosten für die Unterhaltung eines AKW mit den Fixkosten für ein Windrad oder eine Solaranlage zu vergleichen.
Dafür benötigen AKW´s eine geringe Platzfläche und stellen Strom sekundengenau Tag und Nacht für ganze Städte mit Hunderttausenden von Haushalten zur Verfügung. Genau wie Gaskraft-und Kohlekraftwerke. Genau das können Windkraftanlagen nicht. Jedenfalls solange nicht, wie keine großen Stromspeicher zur Verfügung stehen. Und die wird es vorerst auch nicht geben, da diese in der Lage sein müßten, Flautezeiten von 1 bis 2 Wochen zu überbrücken.
Der Vorstandsvorsitzende von RWE, Markus Krebber, hält daher den Wiedereinstieg in die Kernkraft auch nach einem Regierungswechsel für unwahrscheinlich. Schon deshalb, weil der Rückbau der noch bestehenden AKW´s in vollem Gange ist. Eine erneute Inbetriebnahme käme daher fast einem Neubau gleich. Krebber plädiert für eine Novelle des Kraftwerkssicherungsgesetzes, damit neue Gaskraftwerke als Backup für Versorgungslücken, die durch die erneuerbaren Energien erzeugt werden, schneller gebaut werden können.
Auch von einer Zwangsumstellung der Gaskraftwerke auf grünen Wasserstoff hält der Energieriese-Vertreter wenig, denn das hätte keinerlei positiven Effekt auf die Klimabilanz. Die Vorgaben würden die Sache nur teurer machen. Gaskraftwerke auf der Basis grauen Wasserstoffs hält Krebber dafür für sinnvoll. Dennoch bleibt die Sache problematisch, da die hoch qualifizierten Fachkräfte fehlen würden.
Für uns stellt sich die Frage, warum RWE trotzdem auf die erneuerbaren Energien und auf die E-Mobilität setzt. Denn vielen Fachleuten ist klar, das dafür ein dezentrales und teures Stromnetz notwendig ist und die Kosten immer weiter steigen werden, da diese Energieträger von Natur aus keine gesicherte Leistung zur Verfügung stellen können. Und ob die Lösung in der Wiederverwertung von Batterien und Lithium im Sinne einer gesschlossenen Kreislaufwirtschaft liegen wird, ist nicht absehbar.
Die ungelöste Frage der Entsorgung
Der Umgang mit abgebrannten Brennstäben bleibt eine der größten Hürden der Atomkraft. Diese hochradioaktiven Abfälle müssen über Zehntausende Jahre sicher gelagert werden – eine Herausforderung, die nicht nur technologisch, sondern auch politisch und ethisch kaum lösbar erscheint. Noch immer gibt es weltweit kein einziges Endlager, das den Anforderungen dauerhaft gerecht wird. Länder wie Deutschland haben zwar Fortschritte bei der Suche nach einem geeigneten Standort gemacht, doch die Auswahl ist politisch umstritten und von der Bevölkerung oft nicht akzeptiert.
Selbst Zwischenlager, die eigentlich nur eine temporäre Lösung darstellen sollten, geraten an ihre Kapazitätsgrenzen. Der Atommüll wird somit nicht nur zu einem technischen Problem, sondern auch zu einem Vermächtnis für kommende Generationen.
Neue Technologien als Ausweg?
Dennoch gibt es Hoffnung auf sicherere und effizientere Technologien. Eine vielversprechende Alternative zur klassischen Atomkraft sind Reaktoren der vierten Generation, die unter anderem auf Thorium statt Uran setzen. Diese Reaktoren haben den Vorteil, dass sie weniger langlebigen Atommüll produzieren und weitgehend gegen Kernschmelzen geschützt sind. Auch sogenannte Small Modular Reactors (SMRs) könnten die Atomkraft revolutionieren: Diese kompakten Reaktoren sollen kostengünstiger gebaut und betrieben werden können und höhere Sicherheitsstandards erfüllen.
Besonders interessant sind sogenannte Flüssigsalzreaktoren, die mit geschmolzenem Thorium betrieben werden. Ihr Design macht eine Kernschmelze physikalisch nahezu unmöglich, und sie könnten sogar bestehende Atommüllbestände als Brennstoff nutzen. Allerdings befinden sich diese Technologien größtenteils noch in der Entwicklungs- oder Pilotphase, was bedeutet, dass sie frühestens in den nächsten Jahrzehnten marktreif wären.
ATOMKRAFTWERKE DER
4 GENERATION
An der kontrollierten Fusion wird seit sieben Jahrzehnten gearbeitet. Doch der praktische Erfolg will sich bis heute nicht einstellen. Woran liegt das ? Es liegt daran, das sich die positiv geladenen Atomkerne gegenseitig vehement abstoßen. Um diese Abstoßung zu überwinden, muss das Wasserstoffgas auf 150 Mio. Grad erhitzt werden. Dann erst haben die Atomkerne genügend Schwung, um sich wie gewünscht anzunähern und zu verschmelzen. Die Suppe von unabhängigen Atomkernen und Elektronen nennt man übrigens Plasma.
Damit die Ummantelung des Atomkraftwerks wegen der ernorm hohen Temperaturen keinen Schaden nimmt, muß man ein Magnetfeld aufbauen, das die Teilchen von der Innenwand fernhält.
Erst wenn die erste experimentelle Kernfusion mit einem Plasma aus Deuterium und Tritium im Versuchsreaktor ITER, der 2007 in Cadarache in Südfrankreich gebaut wurde, erfolgreich und stabil verläuft, hat der Versuchsreaktor seine Schuldigkeit getan. Bevor der erste Fusionsreaktor Strom erzeugt und ans Netz gehen kann, wird es vermutlich noch Jahrzehnte dauern. Die Experimente beginnen 2035 und die erste Versuchsgewinnung soll 2045 erfolgen.
AKW mit Kühltürmen
FAZIT:
Die Rückkehr zur Atomkraft ist keine einfache Lösung, sondern eine Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen. Während moderne Reaktordesigns potenziell mehr Sicherheit und Effizienz versprechen, bleiben die klassischen Probleme der hohen Kosten und der Entsorgung ungelöst.
Ein nachhaltiger Energiemix erfordert vor allem Investitionen in neue Gaskraftwerke, in neue Speichertechnologien, in die Optimierung der Netzinfrastruktur sowie eine Rückführung erneuerbarer Energien. Die Atomkraft könnte als weitere Technologie eine Rolle spielen. Vorausgesetzt, die Politik ist bereit, die notwendigen Investitionen in die Reaktivierung der alten Meiler zu tragen. Die öffentliche Diskussion zeigt: Die Atomkraft mag technisch faszinierend sein, aber sie bleibt ein Thema, das unsere Gesellschaft spaltet.
Quellenhinweise:
Eike.de vom 05.12.2024; Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 12.11.2024; bitprojects.de vom 14.11.2024; focus-online.de vom 14.11.2024; tagesschau.de vom 16.04.2023; Handelsblatt-Podcasts vom Nov. 2024; regionalheute.de vom 12.11.2024; hasepost.de vom 12.11.2024; energate-messenger.de vom 06.11.2024 sowie RK-Redatkion vom 5.12. 2024
Fotonachweise:
Header: pixabay.com; Montage: Revierkohle; links darunter: Atomfass-Grafik: vidstockgraphics; , ganz unten rechts: AKW-Grafik: vidstockgraphics