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Das Kapitel Bergbau und Kirche geht weiter

Hohe Domkirche Essen

In Deutschland geht Ende 2018 das Kapitel Steinkohlenbergbau endgültig zu Ende. Kohle und Stahl bildeten im 20. Jahrhundert eine Einheit und haben das Ruhrgebiet erschaffen und geprägt. Grauer Himmel, graue Häuser, Russ-und Kohlenstaub überall, Lärm und schlechte Luft. Das war das Negativimage des Reviers. Aber es gab und gibt auch die positive Seite. Und das war der Bergbau mit seiner integrierenden Funktion und kulturellen Offenheit gegenüber Migranten aus Ost und West. Es war die Ruhrkohle AG, die ihrer sozialen Verantwortung nachkam, als sie in den 50er und 60er Jahren hunderttausenden von türkischen „Gastarbeitern“, Italienern, Polen, Ostpreußen und anderen Mi- granten eine neue berufliche und private Heimat versprach. Die gemeinsame Arbeit auf dem Pütt und die gefahrgeneigte  Arbeit schweißten die unterschiedlichen Mentalitäten im Laufe der Zeit zu einer Schicksalsgemeinschaft zusammen. Die sprichwörtliche Solidarität über und unter Tage trug zu einem ausgeprägten Gemeinsinn bei. An vielen Stellen entstand automatisch die Integration der Migranten, die heute nur mit großer Mühe zu realisieren ist.  An anderen Stellen gelang diese Integration natürlich auch nicht. Die Arbeitsgemeinschaft Kirche und Bergbau hat sich nun beim Bischof von Essen, Dr. Franz-Josef Overbeck als Gastgeber im bischöflichen Palais in Essen getroffen und sich die Frage gestellt, was vom Bergbau und seinen Werten für die Zukunft nach dem Auslauf gerettet werden kann. Die Bemühungen sind vielfältig. Ob sie ausreichen, wird die Zukunft zeigen.         

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Was kann die Kirche aus der sozia- len Kraft des Bergbaus lernen und was kann in die Zukunft mitge- nommen werden ?  Das fragten sich die Teilnehmer v. l. n. r.:  der ehem. RAG-Chef und RAG-Stiftungs mitglied Dr. Wilhelm Beermann, der Präses der Ev. Kirche Manfred Rekowski, Weibischof Franz Grave, der ehem. RAG-Gesamtbetriebs- ratsvorsitzende Ludwig Ladzinski, Dr. Michael Schlagheck und RAG- Chef Bernd Tönjes, RAG-Stiftungs- vorstandsmitglied Bärbel Berger- hoff-Wodopia, RAG-Pressechef Eb- erhard Schmitt sowie der Vize- präses der Ev. Kirche, Albert Henz.

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Der Kreuzweg auf der Prosper-Haniel-Halde in Bottrop fand auch am 14.4.2017 (Karfreitag) wieder statt. Rund zehntausend Menschen folgten dem Aufruf von Werks- chef Wolfram Zilligen und Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck. Die tra- ditionelle Kreuzwegandacht soll auch nach Schließung des Berg- werks Ende 2018 weiter fortge- führt werden.

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Glaubenshaltungen und Werte sind im Bergbau bis heute tief ver- ankert, da sie Trost und Hoffnung spenden. Die vielen Barbarafeiern am 4. Dez. jeden Jahres legen da- von ein beredtes Zeugnis ab. Die Veranstaltungen werden auch von vielen Nicht-Bergleuten besucht. Die Vertreter von Bergbau und Kirche treibt die Sorge um, was an Werten und Haltungen aus der gelebten Solidarität und Frömmig- keit der Bergleute für die Nach- bergbau-Ära gerettet werden kann.

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Die Ev. Kirche bietet zu diesem Zweck in der Ev. Akademie Haus Villigst in Schwerte (siehe oben) in 2017 eine Informationsreihe an, in der es um die Entwicklung des 19. und 20. Jahrhunderts im Ruhrge- biet gehen wird. Hier werden ehem.  Gastarbeiter und ehem. Bergleute über ihre Erfahrungen berichten. Es kommen Personal- verantwortliche und Betriebsräte zu Wort, aber auch Repräsentant- en von Moscheevereinen und Kirchengemeinden. Es wird auch beleuchtet, welche Rolle  die RAG in der Arbeitswelt gespielt hat und inwieweit die RAG das Miteinander der Stammbelegschaft mit den „Zugewanderten“ unterstützt hat.

Quellenhinweise:

Institut für Kirche und Gesellschaft, (Ev. Kirche NRW als  Hrsg.) News letter März 2017,  Bistum Essen, Pressemitteilung vom 29.3.2017,  Lokalkompass Bottrop vom 4.4.2017 und RK-Redaktion vom 15.04.2017

Fotos: oben: Hohe Domkirche zu Essen, Bistum Essen, links darunter: Nicole Crounauge, Bistum Essen, daneben: RAG- Werksleiter der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop, Wolfram Zilligen und Ruhrbischof Dr. Overbeck, Kreuzwegandacht auf der Bergehalde Prosper-Haniel, RAG, links da- runter: Haus Villigst, Ev. Akademie in Schwerte, Ruhrnachrichten, Kath. Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim, Bistum Essen, Zeche Prosper-Haniel 2, Bottrop, Revierkohle

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Das Thema „Integration verschied- ener Kulturen“ hat die RAG schon buchstabiert, da kannte man das Wort überhaupt noch nicht. Wie diese Integration trotz aller Rück- schläge erfolgreich gelang, wird Gegenstand der Diskussionen auf katholischer Seite sein. In der Kath. Akademie „Die Wolfsburg“ (siehe oben) in Mülheim wird es in mehreren Veranstaltungen in 2017 und 2018 darum gehen, wie es dem Bergbau gelang, nicht nur eine erfolgreiche Integrations- politik zu betreiben, sondern auch städtebaulich sozial, ökologisch und wirtschaftlich Jahrzehnte lang erfolgreich zu wirken. Im Einzelnen will man z.B. herausarbeiten, wie die Erfahrungen der bergm. Sied- lungskultur auf das moderne Quar- tiersmanagement übertragen werd en kann. Wie kann man Soli- darität neu lernen in einem sich wandelnden Ruhrrevier hin zur Metropolregion Ruhrgebiet ?

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Für 2018 sind diverse Abendver-anstaltungen und Gottesdienste an besonderen Orten geplant. Das Treffen von Kirchen-und RAG-Ver- tretern in Essen vereinbarte zum Abschluss des Bergbaus einen ge- meinsamen ökomenischen Gottes- dienst in der Hohen Domkirche in Essen Ende 2018. Im Juni 2018 wird der Bergbau offiziell auf der ehem. Schachtanlage Zollverein XII in Essen zu Grabe getragen. Nur wenige Orte der Industriekultur werden als Zeugen des Bergbaus für die Nachwelt erhalten bleiben. Die Kumpelkultur, die Zechen-kolonien mit ihrem gemütlichen urbanen Lebensgefühl und ihrer heimeligen Kleinteiligkeit, die Steiger des Pütts, die Zechen-brachen und der typische Mutter- witz mit den schrägen Worten wie „Hömma, wat is ?“ „Jupp, komm ma bei mich“ ; „Mach dem Heini sein Pilskes mal fertig, woll !“ machen schon heute sentimental, weil diese Gemeinschafts-und Sprach-kultur  und dieses Lebensgefühl ohne den Bergbau u.E. kaum eine Überlebenschance hat. Schließlich kann man auch das Lebensgefühl der 20er Jahre nicht wieder auf- erstehen lassen, auch wenn z.B. zahlreiche neue Swing-Veranstalt- ungen in Hamburg und Berlin diesen Eindruck vermitteln möcht- en. Original bleibt Original. Und solange die Bergbaukultur nur wirtschaftlich betrachtet und in- strumentalisiert wird, wie das im Ruhrgebiet durch zahlreiche Ver- anstalter regelrecht zelebriert wird, ist es künstlisch und kommerziell. Es kommt daher auf die Menschen an, den Bergbau und seine Kultur als ihre eigene Geschichte anzu- nehmen und zu leben. Unsere bergmännischen Tugenden könn- en daher auch nach der Berg- bauära eine tragende Orient-ierung bieten. Diese lassen sich aber nicht kommerzialisieren. So wie die gelebte Solidarität über und unter Tage auch nicht von der Zechenleitung verordnet wurde.

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