autonomes Fahren soll das Leben angeblich besser machen
Hamburg rüstet auf. Im Okt. 2021 werden im Congress-Centrum am Hamburger Dammtorbahnhof rd. 15.000 Fachbesucher erwartet, die sich über die neue schöne autonom fahrende Verkehrswelt informieren wollen.
Im Rahmen des weltweit größten Kon-gresses für intelligente Verkehrssysteme der Zukunft werden 400 Aussteller ihre Projekte vorstellen. Darunter das Projekt HEAT der Hamburger Hochbahn mit einem autonom fahrenden Kleinbus, Drohnen, Apps, intelligente Verkehrssteuerung und autonom fahrende PKW´s. Klimafreundlich, effizient und komfortabel, wie es die Werbung wissen läßt.
Auch auf die Gefahr hin, das wir als ewig Gestrige abgestempelt werden: wir halten das autonome Fahren auf allen Straßen für ein Hirngespinst. Und mit dieser Meinung stehen wir nicht allein da.
Auch die Autofahrer und Autofahrerinnen sind skeptisch, wie die links stehende Statista-Auswertung vom Juni 2021 belegt.
Bevor wir kritisch auf das autonome Fahren eingehen, wollen wir zunächst klären, um was es sich dabei handelt.
Die Bundesanstalt für Straßenwesen unter-scheidet derzeit noch zwischen assistiert-em, automatisiertem und autonomen Fahr-en. Die heute zugelassenen Fahrzeuge sind bereits mit assistierten Fahrunterstütz-ungssystemen wie Lenk-, Blink-, Beschleu-nigungs-und Bremsmanövertechniken aus-gestattet. Ob das alles sinnvoll ist, wollen wir an dieser Stelle nicht hinterfragen. Fakt ist aber, dass diese Systeme bis zum auto-nomem Fahren weiter ausgebaut werden sollen.
Am Ende steht das autonome Fahrzeug, an dem das Fahrzeug sich selbst steuern und über Kameras und Sensoren digital mit anderen autonomen Fahrzeugen im Verkehr von A nach B sich bewegen wird. Ob dann noch ein Privatauto erworben werden kann, ist noch offen.
Freiheit ade ?
es geht um Kosteneinsparung und Kontrolle
Das jedenfalls wird deutlich, wenn man sich mit den Einsatzszenarien beschäftigt, die die Bundesregierung unter dem Titel „Autonomes Fahren in die Praxis holen“ veröffentlicht hat. Zu den Einsatzzenarien erster Kategorie gehört das autonome Fahren im Shuttle-Busverkehr, gefolgt von fahrerlosen Verbindungen zwischen Logistikzentren ( der sog. Hub2Hub-Verkehr) und erst zum Schluß folgt der private Autoverkehr. Und wenn man das auch noch auf die Bahn und die Robotertechnologie im Rahmen des 5 G-Digitalnetzausbaus überträgt, dann ahnt man, um welche Dimensionen es hier geht. Und wieviel Menschen diese Entwicklung den Arbeitsplatz kosten wird. Und eine technologische Folgenabschätzung einschließlich neuer Beschäftigungspotentiale ist bis heute nicht belastbar vorgelegt worden. Derweil die Entwicklung aber schneller voranschreitet, als das neue Arbeitsplätze entstehen.
Der Gesetzgeber hat auf diese Entwicklung bereits am 21.6.2017 durch das Gesetz zum automatisierten Fahren reagiert und am 28.5.2021 weiter ergänzt. Ziel ist es, bis 2022 autonome Fahr-funktionen in den Regelbetrieb zu bringen. Begründet wird dieses Gesetz u.a. damit, die Zahl der Verkehrstoten weiter abzusenken und die CO2-Emissionen in 25 Jahren um 60 % zu reduzieren.
Das halten wir für ein vorgeschobenes Argument. Denn die Zahl der Verkehrstoten ist von 21.332 im Jahre 1970 auf 2.719 im Jahre 2020 laut statistischem Bundesamt gesunken. Schon zwischen 1970 und 2016 war die Anzahl der Verkehrstoten auf Deutschen Straßen um 85 % zurückgegangen. Und das, obschon die Anzahl der zugelassenen PKW´s von 518.000 in 1950 auf 48,2 Mio. in 2021 hochgeschnellt ist.
Die weniger gewordenen Verkehrstoten sind sicherlich auch ein Ergebnis moderner Asistenzsysteme, aber ganz sicher ist diese er-freuliche Entwicklung auch auf die umsichtigere Verhaltensweise der Autofahrer zurückzuführen.
Quellenhinweise:
Life-Science.eu vom 8.7.2021 (selbstfahrende Autos: Revolution mit Nebenwirkungen); Pressemitteilung der Bundesregierung vom 21.4.2021 (Autonomes Fahren in die Praxis holen); Pressemit-teilung des BM für Wirtschaft und Energie vom 28.5.2021; Welt vom 22.6.2021; Handelsblatt vom 30.01.2019; it-daily.net vom 01.03.2019; Kieler Nachrichten vom 25.04.2018; Manager-Magazin vom 04.07.2019; Statista.com (PKW-Zulassungen in 1950); Kraft-fahrt-Bundesamt vom 01.01.2021; Autopresse.de vom 06.07.2017; Zeit-Online vom 30.01.2020; Tagesspiegel vom 10.02.2021 und RK-Redaktion vom 12.07.2021
Fotonachweise:
Header: Pressestelle des Hamburger Senats, Veränderung: Revier-kohle; links darunter: Rita E., pixabay.com; unten (Mitte): Photolover, pixabay.com
Und inwieweit autonomes Fahren das Leben besser macht, muß jeder selbst entscheiden. Zumindestens darf man die Fage stellen, was an einem ausgefeilten Infotainment-System während der Fahrphase das Leben besser machen soll. Netflix zu Hause, auf dem Handy und dann noch im Auto kann gar nicht zu einem besseren, sondern eher zu einem verblödeteren Leben führen.
Und wer da glaubt, er könne sich dann entspannt zurücklehnen und alles dem Computersystem im Auto überlassen, der irrt. Zwar steht in den neu eingefügten Paragrafen 1 a und 1 b des Straßenver-kehrsgesetzes seit Juni 2020 der Satz, das Autos im Straßenver-kehr fahren dürfen, deren Fahrer „abschalten“ bzw. gar nicht im Auto sitzen müssen ( Drohnensteuerung z.B.), aber: das Fahr-system muß so ausgestattet sein, dass es dem Fahrer bei brenzligen Situationen sagt: „Achtung, ich bin überfordert, bitte manuell übernehmen.“ Das bedeutet, der Fahrer bzw. die Fahrerin muß jederzeit weiterhin so viel Aufmerksamkeit entfalten, das er/sie sofort wieder das Kommando über das Auto übernehmen kann. Daher haftet auch weiterhin der Halter und der Fahrer. Und mit dem Halter auch die Versicherung.
Der ehemalige Präsident des Landgerichts Lübeck ist sich daher sicher, dass die Staatsanwälte bei Unfällen mit autonomen Fahr-zeugen in gewohnter Weise die strafrechtlichen Ermittlungen auf-nehmen werden. Die Frage nach der Beweisbarkeit und die Kausalität von Unfallfolgen wird nur etwas komplizierter.
Die Einführung des autonomen Fahrens in den flächendeckenden Regelbetrieb zu überführen, setzt auch die Existenz eines riesigen digital vernetzten Datensystems mit einer großen Anzahl von Kamerasystemen voraus. Wie unter diesen Umständen der Daten-schutz gesichert werden soll, steht in den Sternen. Und es wird Unmengen an Geld verschlingen.
Die techn. Universität Wien und die Universität Leeds haben sich mit den Auswirkungen autonomen Fahrens beschäftigt und kommen in einer Studie zu dem Ergebnis, dass die Anzahl der mit dem Auto zurückgelegten Kilometer um 30 bisw 40 % steigen könnte. Der öffentliche Personennahverkehr würde unter Druck ge-raten und der Radverkehr um 5 bis 20 % abnehmen. Bei geteilten autonom fahrenden PKW´s wären die Auswirkungen weniger dramatisch, so Prof.Dr. Günter Emberger vom Institut für Verkehrs-wissenschaften der TU Wien.