Bottrop, die Perle des Ruhrgebiets, hat mal wieder eine innovative Lösung für die Unterbringung von Asylbewerbern gefunden: das ehemalige Verwaltungsgebäude der Zeche Prosper-Haniel in Botttrop-Kirchhellen, Schacht 10. Mitten in der Pampas mit großem Naherholungsgebiet. Rundherum alles nur Ackerflächen. Und wenn die Asylbewerber andere Asylbewerber einmal besuchen möchten, ist das auch kein Problem. Ein Bus bringt sie schnell nach Bottrop-Grafenwald zum Schacht 9. Dort befindet sich seit kurzem eine weitere Asylbewerberunterkunft.
Prosper-Haniel, bis 2018 Symbol für Sicherheit und Arbeit sowie für den industriellen Aufschwung, wird nun zum Exil für Menschen auf der Suche nach Schutz und einem besseren Leben. Eine Idee, so durchdacht wie einst die Entscheidung, auf Schacht 7 ein Spaßbad zu errichten. (Krullbad)
Die Bewohner dürfen sich auf eine einzigartige Kulisse freuen – rostige Förderbänder, verwaiste Werkstätten und den charmanten Charme vergangener Bergbauzeiten. Ein Ort, an dem das Echo vergangener Grubenunglücke noch in der Luft liegt – eine perfekte Umgebung, um sich auf das Asylverfahren einzustimmen.
Die Stadt Bottrop kann sich auf einige Herausforderungen gefasst machen. Zunächst einmal das Problem der Integration: Wie sollen die Asylbewerber den hohen Erwartungshaltungen der Industrie nach Facharbeitern gerecht werden, wenn nur wenige Bewerber eine einschlägige Ausbildung mit-bringen ?
Und es wird Monate dauern, bis sich die Asylbewerber grundlegende Deutschkenntnisse angeeignet haben. Vielleicht könnten spezielle Deutschkurse angeboten werden, in denen Begriffe wie „Streb“, „Haspel“ „Förderturm“ , „Glückauf“, eben die ruhrgebietstypischen Erkennungsbegriffe, besonders betont werden.(siehe hierzu unsere Podcast-Sendung „Ruhrdeutsch.“)
Immerhin war es die RAG, die es schaffte, das Hundertausende von türkischen „Gastarbeitern“ in den 50er und 60er Jahren auf den Zechen und in den Zechensiedlungen erfolgreich integriert werden konnten. Sogar Gebetsteppiche hatte man seinerzeit in den Kauen für die muslimische Community ausgelegt. Und bei der REVAG lernten Sie die deutsche Kultur kennen. Sie wurden heimisch und zahlten anständig Steuern. Wir bekamen dafür neue Einsichten in eine fremde Kultur und wir bekamen den Döner. Das sieht heute aber ganz anders aus. Das Ruhrgebiet gehört mittlerweile zu den größten strukturschwachen Gebieten Europas. Beschäftigungsperspektiven bestehen nur wenige.
Auch die Frage der Freizeitgestaltung steht im Raum. Anstelle von langweiligen Spaziergängen im Park können die Asylbewerber zwar spannende Exkursionen in die stillgelegten Schächte 9 und 10 unter-nehmen. Eine faszinierende Entdeckungsreise durch rostige Maschinen und dunkle Gänge hat durchaus ihren Reiz– eine Perspektive, von der die meisten Asylbewerber träumen, kommt dadurch aber nicht zustande.
Einzig die örtliche Gastronomie in Bottrop-Grafenwald und Aldi könnten von diesem Projekt profitieren. Wie wäre es mit einem Restaurantkonzept der Marke „Kumpel’s Kitchen“? Hier könnten traditionelle Bergmannsgerichte serviert werden, begleitet von Live-Auftritten von Chören, die Bergmannslieder schmettern. Eine fantastische Gelegenheit, die lokale Wirtschaft anzukurbeln und gleichzeitig kulturellen Austausch zu fördern.
Natürlich gibt es auch skeptische Stimmen in der Bevölkerung, die sich fragen, ob es nicht sinnvoller wäre, die ehemaligen Bergwerke für moderne Zwecke zu nutzen, anstatt sie in Asylunterkünfte zu verwandeln. Und viele Ruhris haben erhebliche Zweifel, ob die Integration überhaupt gelingen kann und ob die Stadt nicht schon längst an ihre Belastungsgrenze geraten ist. Diese Frage stellt man sich im Übrigen nicht nur in Bottrop.
Am Schacht 10 auf Prosper-Haniel wurde trotzdem ein neues Kapitel aufgeschlagen – ein Kapitel voller Herausforderungen, aber auch voller Potenzial. Schließlich hat noch niemand behauptet, dass Asylbewerber nur in glanzvollen Villen oder schicken Wohnungen untergebracht werden können. Manchmal muss man eben kreativ werden – und was könnte kreativer sein als eine Asylunterkunft im Schatten eines stillgelegten Bergwerks?
Wiederbelebung
DER GANZ ANDEREN ART
Das ehemalige Direktionsgebäude des 2018 stillgelegten Bergwerks Prosper-Haniel, Schacht 10 in Bottrop-Kirchhellen, wurde zur Flüchtlingsunterkunft für Asylbewerber umgebaut und ertüchtigt. Ebenso wurden am Schacht 9 in Bottrop-Grafenwald Container errichtet. Am Schacht 10 sind 150 Asylbewerber auf Dauer und am Schacht 9 80 Menschen vorübergehend untergebracht. Auf Grund des Wohnungsmangels könnte es allerdings auch etwas länger werden.
Quellenhinweise:
Integrationsbericht der Stadt Bottrop, Dezernat III aus 2018 und 2019, S. 99 ff, Bottrop 2019 und 2020; Bottroper Zeitung vom 17.01.2023; WAZ vom 21.12.2022; radioemscherlippe.de vom 12.01.2023 ; Dorstener Zeitung vom 17.10.2022; Thyssen-Schachtbau.de vom 07.10.2021 sowie RK-Redaktion vom 14.11.2023
Fotonachweise:
Header: Foto und Entwurf: Revierkohle; links darunter: Luftbild verwaister Schacht 10-Stdandort; Youtube- Screenshot; links darunter (v.l.n.r) : ehem. Verwaltungsgebäude; Mitte: ehem. Zechenparkplatz, rechts: Schacht 10; PH in Bottrop-Kirchhellen; Youtube- Screenshot; links darunter: Asylbewerber auf dem Weg zur Unterkunft; Youtube-Screenshot
Das Direktionsgebäude befand sich bis zum Ertüchtigungszeitpunkt trotz des seit 5 Jahren verwaisten Zustandes in guter Verfassung. Anders als bei früheren Zechenstilllegungen haben die Vandalen am Schacht 9 und 10 nicht so zugeschlagen. Die Fenster wurden nicht zerstört, das Kupfer nicht herausgerissen und Bäume wuchsen auch nicht auf den durchlöcherten Dächern. Und die Räumlichkeiten waren witterungs-bedingt ebenfalls nicht durchfeuchtet.
Im Prinzip mußten nur neue Stromanschlüsse hergestellt werden. Die Kosten für die Herrichtung des Gebäudes übernahm die Stadt Bottrop. Seit April wurden bisher 78 Doppelzimmer, Küche und Sanitär-anlagen errichtet und voll ausgestattet. Immerhin hat die Stadt das Gebäude für 5 Jahre von der RAG gemietet. Die will danach das gesamte Betriebsgelände einebnen und alle Übertageanlagen abreißen. Übrig bleibt dann nur noch ein Acker, der an gar nichts mehr erinnern wird. Traurig, aber wahr.
Vom Standort Alter Postweg (Schacht 10) über den Standort Vossundern (Schacht 9) bis zur Innenstadt wurde eine Buslinie eingerichtet. Die Bushaltestellen am Schacht 9 und 1o sind aus glanzvollerer Zeit noch erhalten. Fahrräder will die Stadt den Asylbewerbern ebenfalls zur Verfügung stellen. Damit ein mögliches Konfliktpotential unter den Asylbewerbern gleich im Keim erstickt werden kann, setzt die Stadt auch Sozialarbeiter an den Schachtstandorten ein. Ein Hausverwalter und ein Sicherheitsdienst sorgen an sieben Tagen rund um die Uhr für Ruhe und Ordnung.
Seit 2022 hat die Stadt Bottrop bereits rd. 1.600 Flüchtlinge aus der Ukraine sowie 1.700 Menschen aus anderen Ländern aufgenommen. In 2018 befanden sich insgesamt 25.445 Einwanderer in Bottrop. Und in 2019 stieg die Anzahl bereits auf 26.289 Einwanderer laut Integrationsbericht der Stadt Bottrop. Bei einer Bevölkerung von 117.388 Einwohnern macht das einen Ausländeranteil von 22 % aus. Insgesamt ist die Zahl der Einwanderer von 2008 bis 2018 um 4,3 % gestiegen. In dieser Zeit verließen 9.428 deutsche Bürgerinnen und Bürger die Stadt.